• Höhen- und Absturzsicherung, Messe/Kongress

Spannendes Programm und gute Stimmung

  • November 10, 2021

Nach der Zwangspause im vergangenen Jahr konnte nun am letzten September-Wochenende das 13. FISAT Technikseminar stattfinden. Rund 150 Seilzugangstechniker und Industriekletterer erfuhren dabei in anderthalb Tagen in der Congress Union Celle viel Neues und Wissenswertes aus der Branche.

Ulla Lohmann (l.) führte nicht nur gemeinsam mit Camillo Kluge (r.) durch das Programm des Seminars, mit Ehemann Basti Hofmann (Mitte) präsentierte sie spektakuläre Eindrücke aus dem Innenleben eines Vulkans. // Foto: Stephan Berchtold

Die Corona Pandemie erforderte immer noch recht strenge Regeln, unter anderem was die Sitzabstände oder auch das gemeinsame Essen betraf, doch seitens des Fachverbandes war man froh, die Veranstaltung abhalten zu dürfen. Geschäftsführer Sven Drangeid war daher auch voll des Lobes über das äußerst disziplinierte Verhalten der Teilnehmer: „Es herrscht trotz der immer noch leicht eingeschränkten Bedingungen eine sehr gute Stimmung. Niemand hat geklagt oder sich über das Corona-Konzept beschwert. Alle sind froh, dass die Veranstaltung wieder stattfindet.“

Thema Facility Management
Das Schwerpunktthema des Seminars lautete „Facility Management“. Und auch, wenn das zunächst nicht sonderlich sexy klingt, „im Bereich Facility Management bewegt sich einiges“, betonte FISAT-Präsident Eric Kuhn in seiner Begrüßung. Spätestens mit dem Vortrag von Christian Rappsilber war das allen klar. Der Leipziger ist nicht nur selbständiger Meister im Gebäudereiniger-Handwerk und Fachwirt Facility Management, sondern zudem auch FISAT-zertifizierter Seilzugangstechniker. 

Rappsilber betonte, dass ein Facility Manager nicht mit einem Hausmeister gleichzusetzen sei. „Es geht hierbei um die ganzheitliche Betrachtung von Anlagen, Standorten oder Einrichtungen unter der Berücksichtigung aller Phasen des Lebenszyklus“.“ In den Niederlanden sei dies bereits seit 1984 ein eigener Studiengang. Der Themenbereich gliedere sich in technisches, kaufmännisches und infrastrukturelles Facility Management. Wartungen und Instandhaltungen, die sich in der Aufgabenbeschreibung des Hausmeisters wiederfinden, sind nur ein kleiner Bestandteil des technischen Bereichs.

Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus stellte Bauprodukte und Persönliche Schutzausrüstung einander gegenüber.
// Foto: FISAT/Ralph Sinapius

„Die Produkte an sich versagen nicht“
„Die Leute schlagen sich nicht an!“ lautete eine Feststellung von Prof. Dr.-Ing. Marco Einhaus, Leiter des Sachgebietes Hochbau bei der BG BAU, der die normative und praktische Abgrenzung von Bauprodukten und Persönlicher Schutzausrüstung betrachtete. Richtig und solide ausgerüstet, so die Erfahrungen der Genossenschaft, seien die Arbeiter in der Regel, aber „wie bringen wir die Leute dazu, auch die Schutzausrüstung zu nutzen?“ Allein 2020 verzeichnete die BG BAU 40 Absturztote allein in der Bauwirtschaft, über ein Viertel mehr als vor der Pandemie in 2019. Allein Leiterunfälle würden jährlich über 300 Millionen Euro an Kosten verursachen. An den Produkten aus dem Bereich der PSAgA liegen diese Zahlen nicht. „Die Produkte an sich versagen nicht, die halten was sie versprechen“, so Einhaus.

Im Saal saßen die Teilnehmer mit ausreichend Abstand zueinander und durften so ohne Maske den Vorträgen lauschen.
Entspannt konnten sich die Teilnehmer über die Produkte der Aussteller wie hier bei Skylotec informieren. // Foto: Camillo F. Kluge
Bei Petzl konnten ausgemusterte Produkte einem Belastungstest unterzogen werden. // Fotos (2): FISAT/Ralph Sinapius

Einen besonders breiten Raum nahm der Neubau des Axel-Springer-Sitzes in Berlin ein. An dem futuristischen anmutenden Bauprojekt waren gleich mehrere Spezialisten aus dem Bereich Höhen- und Absturzsicherung beteiligt. Markus Füss, Inhaber des Ingenieurbüros Hochsicher, hatte als verantwortlicher Ingenieur die Anforderung zu erfüllen, dass „jeder Punkt im Gebäude erreicht werden kann.“ Ausführlich und nachvollziehbar schilderte er einzelne Problematiken und Lösungsansätze, die letztlich dank der Kooperation der einzelnen Unternehmen gelöst wurden. In Vertretung von Peter Radner von Innotech, der wegen eines Beinbruchs kurzfristig absagen musste, übernahm Füss auch dessen Beitrag über die Konzeption und Anpassung eines Schienensystems, mit dem auch der äußerste Winkel im Deckengewölbe des Gebäudes erreicht werden kann.

Martin Binder, Geschäftsführer von Lux-top, berichtete, wie sein Unternehmen nicht nur die „alternativlose Bedingung der absoluten Verschleißfreiheit des eingebauten Teils“ umsetzte, sondern auch wie das Unternehmen fast zufällig auf die Lösung kam, das die Einzelanschlagpunkte nicht zu sehen sind, wenn sie nicht benötigt werden. Das ebenfalls am Neubau beteiligte Unternehmen Mittelmann demonstrierte in einer praktischen Vorführung auf der Basis des Abseilgerätes „Uni Drive“ ein extra angepasstes Produkt, dass nun zu Reinigungs- und Wartungszwecken in dem Berliner Gebäude zum Einsatz kommt.

Markus Füss war maßgeblich an der Systemlösung
Zugangstechnik für den Springer-Neubau beteiligt.
// Foto: FISAT/Ralph Sinapius

„Reise zum Mittelpunkt der Erde“
Wie wichtig Gebäudebegrünung gerade in Städten ist, darüber berichtete Felix Mollenhauer vom Bundesverband Gebäudegrün. Dabei werden längst nicht mehr nur die Dächer begrünt, auch die Fassade wird genutzt. Welche Möglichkeiten sich da bieten und auch bereits genutzt werden, zeigte Mollenhauer auf. Spektakulärste Bilder und Videos sowie eine spannende Geschichte lieferte Ulla Lohmann, die von ihrer Expedition in den Vulkan berichtete. Gemeinsam mit ihrem Ehemann berichtete sie über die Risiken, auf was bei der PSAgA geachtet werden muss und welchen besonderen Belastungen Mensch und Material bei einer „Reise zum Mittelpunkt der Erde“ ausgesetzt sind.

Eine Praxisvorführung der Firma Mittelmann Sicherheitstechnik reicherte den Themenblock rund um den nicht nur architektonisch spektakulären Neubau in Berlin an. // Foto: Stephan Berchtold
Peter Dehlinger hatte auch einen Stand zum Thema Funktechnik, der rege besucht wurde. // Fotos (2): FISAT/Ralph Sinapius
In den Programmpausen bot sich ein Besuch bei einem der gut zehn Aussteller an, die Bewährtes und Neues mitgebracht hatten.

Ein kleines Plädoyer für den Einsatz von Funkgeräten im Arbeitsalltag „im Seil“ hielt Baumpflege-Profi Peter Dehlinger. „Man darf Wirtschaftlichkeit nicht mit Bequemlichkeit verwechseln, wenn man auf neue Sachen verzichtet“, sagte er. Beim Einsatz von Funk geht es nicht darum, im Baum Bürogespräche über Funk zu führen. Sondern so lässt sich einfach miteinander kommunizieren, ohne dass man sich anbrüllen muss. Mit der Schnitt- und Reißfestigkeit von Seilen beschäftigte sich Philippe Westenberger, Head of Product bei Edelrid. Er machte nicht nur klar, dass man sich nicht auf „Daumenregeln“ und Marketing-Versprechen verlassen dürfe, sondern erklärte auch, dass tatsächlich in 70 Prozent der Fälle scharfe Kanten ursächlich seien, wenn ein Seil reißt. Das Fatale bei den Seilen: „Es gibt keine allgemeingültigen Tests und Normen, die den Schwachpunkt der Seile regelt. Die Entwicklung eines einheitlichen Verfahrens, mit dem sich unterschiedliche Seile vergleichen lassen, ist dringend nötig“, so Westenberger.

Knut Foppe (v. l.) und Christian “Puk” Kruck standen nach ihrem Referat auch noch in der von Ulla Lohmann moderierten kurzen Fragerunde Rede und Antwort. // Fotos (3): FISAT/Ralph Sinapius
Ein Überblick über sein Leistungsspektrum präsentierte auch Lux-top.
Karabiner und Riggingplatten hatte unter anderem DMM im Gepäck.

Juristische „kleine Vokabelkunde“
Auf sehr amüsante Art informierte Rechtsanwalt Hartmut Hardt über die Betreiberverantwortung im Facility Management. Dabei übersetzte er im Rahmen einer „kleinen Vokabelkunde“ mit plakativen Beispielen juristische Begriffe wie „Fahrlässigkeit“, „Verkehrssicherungspflichten“, „Beweislast“, „Garanten“ oder „Tun durch Unterlassen“. Christian „Puk“ Kruck von DMM International und Knut Foppe nahmen die Riggingplatten im Zusammenhang mit dem Gesamtsystem unter die Lupe. Wenig überraschend stellten sie fest, dass eine Riggingplatte die stärkste und zuverlässigste Komponente im System ist.  

Von Camillo F. Kluge

Eric Kuhn
// Foto: Camillo F. Kluge

DREI FRAGEN AN … 

… FISAT Präsident Eric Kuhn.

Herr Kuhn, das 13. FISAT Technikseminar ist beendet, wie lautet Ihr Fazit? 

Eric Kuhn: Ja, das war für uns, also nicht nur für uns als FISAT, sondern für alle Teilnehmer extrem wichtig, dass wir uns mal wieder gesehen haben. Das war dringend nötig, das hat man gemerkt, der Wunsch nach direktem Austausch ist ganz wichtig gewesen. Es ist einfach ein riesen Unterschied, ob man sich online verständigt oder ob man sich tatsächlich in die Augen gucken kann, also insofern schon mal aus dieser Sicht ein Riesenerfolg.

Wie hat es Ihnen inhaltlich gefallen?

Kuhn: Es waren super interessante Vorträge. Das Thema Facility Management, das klingt ja immer so ein bisschen langweilig, aber wir haben alle gesehen, wie interessant dieses ganze Thema ist. Und die, die selbst mit dem Thema bislang eigentlich weniger zu tun hatten, sind aufmerksam geworden, dass sich da durchaus ein großes Marktpotenzial findet. Zudem hat das Seminar gezeigt, wie diszipliniert Menschen miteinander umgehen können unter diesen anspruchsvollen Bedingungen. Da merkt man aber eben auch, dass alle Teilnehmer auch extrem geschult sind im Umgang mit Risiken, wie man Risiken begegnet und im Umgang mit Gefahren. Ob ich jetzt in der Höhe arbeite oder von dem Virus bedroht bin, ich muss mit diesen Situationen umgehen. Man hat hier gesehen, wie professionell und wie gelassen alle mit so einer Situation umgehen können. 

Kommendes Jahr geht es nach Berlin. Was erhoffen Sie sich für das 14. FISAT Technikseminar?

Kuhn: Auf alle Fälle wieder mehr Teilnehmer. Wir haben ja hier die Teilnehmerzahl auf 150 gedeckelt. Für Berlin wünsche ich mehr Teilnehmer und keine oder zumindest weniger Corona Bedingung und vielleicht wieder ein paar praktische Vorführungen mehr. Hier fehlte auch der gemeinsame Abend. Aber diejenigen, die sich treffen wollten, haben sich unter den gegebenen Bedingungen auch getroffen. In der Summe war es ein gelungenes 13. FISAT Technikseminar, absolut super, das kann man wirklich so sagen. 

FISAT Geschäftsführer Sven Drangeid durfte sich über eine gelungene Veranstaltung freuen und lud schon zum nächsten Technikseminar im kommenden Jahr in Berlin ein.
// Foto: Camillo F. Kluge

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