Der FISAT hat zum 14. Technikseminar geladen und 200 Industriekletterer, Höhenarbeiter und Seilzugangstechniker waren dem Aufruf nach Berlin gefolgt. Zwei Tage lang stand neben Vorträgen zu „schwer kalkulierbaren Risiken und versteckten Gefahren“, praktischen Vorführungen und der Ausstellung insbesondere Networking und der individuelle Austausch im Fokus.
„Das war wieder ein schönes Familientreffen“ brachte Peter Gruber von der Firma Bergzeug auf den Punkt, was wohl viele Teilnehmer empfanden. „Bei den Vorträgen war von allem was dabei, sowohl einfach nur Interessantes als auch Neues.“ Jörg Schittenhelm von der Stoabock Seiltechnik besuchte erstmals das FISAT-Technikseminar – aber sicher nicht zum letzten Mal. „Als ich das Programm gelesen habe, hätte ich nicht unbedingt gedacht, dass es passt. Aber am Ende hat mich doch jeder Vortrag in irgendeiner Form betroffen“, bilanzierte er. Spannend fand er zudem, dass „so viele Leute, die ja doch teilweise im Wettbewerb miteinander stehen, so freundschaftlich miteinander umgehen.“
Ebenfalls Ersttäter war Andrees Matthiesen von der Deutsche Windtechnik. „Es war eine gute Auswahl an Themen, insgesamt eine runde Sache, die mir gut gefallen hat“, lobte er und versprach ebenfalls wiederzukommen. „Die Vorträge hatten zwar alle unterschiedliche Blickpunkte, aber letztlich das gleiche Ziel. Insgesamt eine tolle Schnittmenge und gute Referenten“, lobte auch Thomas Reykers von ABS Safety.
Rein rechtlich Schwarzarbeit
Zu den Referenten zählte auch Michael Ryba, Project Director bei Bosch, der als passionierter und erfahrener Taucher das Thema „Überleben im Projekt“ aus der Tiefe in den Berufsalltag der Teilnehmer übertrug. Schließlich entscheidet in beiden Bereichen ein Höchstmaß an Zuverlässigkeit, sprich Fehlervermeidung und Fehlereindämmung, am Ende unter Umständen über Leben und Tod.
Für etwas Unruhe sorgte Hermann-Josef Falke von der Fachgemeinschaft Bau Berlin Brandenburg, der mit seinem Vortrag zu „Ausführung von Handwerksleistungen – zwischen Zulassungspflicht und Schwarzarbeit“ quasi die Teilnehmer an den Pranger stellte: „Wer Malerarbeiten durchführt ohne Geselle oder Meister in dem Bereich zu sein, also nicht dafür qualifiziert ist, begeht rein rechtlich Schwarzarbeit“, so seine Aussage. „Wenn Sie Maler- oder Putzarbeiten anbieten“, sprach er das Auditorium an, „ist das zunächst einmal Schwarzarbeit.“ Allerdings, und damit nahm er den Topf wieder vom Kessel, gebe es Ausnahmen, unter die auch die FISAT-Teilnehmer fallen würden. Allerdings dürfe damit nicht geworben werden, auch nicht auf einer Internetseite.
Zurrmittel regelmäßig prüfen
„Nicht schnell, schnell und möglichst billig“, mahnte Jan van Remmen, Vertriebsleiter bei Buchen Kraftwerk Service hinsichtlich Kesselreinigungen, denn „das birgt hohes Risiko.“ Wertvolle Hinweise teils auch aus eigener Erfahrung zum Thema „Blitzschlag, Überspannung und EMV“ gab Jost Organista von der PSAgA Akademie NRW-Ruhr. „Den richtigen Umgang mit Zurr- und Hilfsmitteln zur Ladungssicherung erlernt man am besten durch praktisches Üben“, sagte Markus Tischendorf, Autor und Aufsichtsperson bei der BG Etem. So mahnte er daran zu denken, dass auch Zurrmittel regelmäßigen Prüfungen unterliegen. Denn die meisten tödlichen Unfälle passieren beim Be- und Entladen von Fahrzeugen.
„Nur weil ein Karabiner in eine Öse passt, heißt es nicht, dass die beiden Produkte auch kompatibel sind“, machte Daniel Caliebe-Dicke, Sicherheitsingenieur für den Bereich Windenergie bei 8.2 QHSE, in seinem Vortrag zu „(In-) Kompatibilität von komplexer PSA“ deutlich. Auch hier spiele die Gefährdungsbeurteilung eine wesentliche Rolle. Aus seinem enormen Erfahrungsschatz im Bereich Offshore berichtete Knut Foppe. Grundsätzlich betrachtet er Offshore-Windenergie als Chance, insbesondere auch für die Branche, aber nicht als Selbstläufer. Zumal Offshore doch einiges mehr zu beachten ist. „Das Risikomanagement bietet zwar ein Mehr an Sicherheit“, so Foppe, „kann aber die Gefahr und das Risiko natürlich nicht nehmen.“
Nackter Mann im Kamin
Einen Einblick in den Arbeitsalltag der Höhenretter der Berliner Feuerwehr gaben Olaf Stracke und Björn Windfuhr. Sie berichteten über die Struktur und den Alltag der Höhenretter in der Hauptstadt und über skurrile Einsätze wie den nackten Mann, der in einem Kamin feststeckte. Mehr Kommunikation forderte Harald Dippe ein, Aufsichtsperson bei der BG Bau. Insbesondere forderte er auch Beinahe-Unfälle zu melden. „Dabei geht es nicht um Schuld oder um Haftung, sondern darum, aus diesen Beinahe-Unfällen die richtigen Schlüsse zu ziehen.“
Ein vernünftiges Fehlermanagement fordert Daniel Witt, Reflex Emergency Skills. „Warum ist der Fehler passiert und nicht wer hat ihn verschuldet“, sollte die Fragestellung lauten. Zudem gehöre zu einem guten Fehlermanagement auch, Dinge, die gut gelaufen sind, im Nachgang zu besprechen. Über die unsichtbare Gefahr Schadstoffe referierte Andrea Bonner, stellvertretende Leiterin des Sachgebiets Sanierung und Bauwerksunterhaltung der DGUV. Sie nannte viele Beispiele von Asbest bis hin zu Taubenkot, dem Industriekletterer ja öfter auch begegnen. „Manche Stoffe werden auch über die Haut aufgenommen“, mahnte sie.
Wiedersehen im März 2024
Fachagrarwirt und European Tree Technician Markus Breithaupt informierte über Gefahren, die seitens Fauna und Flora dem Höhenarbeiter drohen. Das betrifft zwar vorrangig Baumkletterer, aber giftige oder allergische Reaktionen hervorrufende Pflanzen und Tiere sind auch im industriellen und städtischen Raum anzutreffen. Schließlich beschäftigte sich Peter Bessler vom Deutschen Slackline Verband noch mit der Physik der horizontalen Kräfte.
Eric Kuhn, Präsident der FISAT, und Geschäftsstellenleiter Sven Drangeid stellten zudem noch die in der finalen Entwicklung steckende neue App vor. Praktische Vorführungen, eine Ausstellung verschiedener Partner-Unternehmen und der Technikparcours von Petzl rundeten das 14. Technikseminar in Berlin ab. Aufgrund der Termindichte im Herbst 2023 unter anderem mit der A+A wird die 15. Ausgabe des Technikseminars für den März 2024 geplant.
Von Camillo F. Kluge