Immer wieder kommen Sicherheitsbeauftragte in die Situation, Kollegen und Mitarbeiter von sicherheitsbewusstem Verhalten überzeugen zu müssen – eine Herausforderung insbesondere für Sicherheitsbeauftragte ohne Weisungsbefugnis. Die Akademie Expert Me stellt fünf mögliche Schritte vor, solche Gespräche zu strukturieren.
Sicherheitsbeauftragte müssen zu einer bestimmten Anzahl ausgebildet werden – Dieses Thema ist in fast jedem Unternehmen bekannt und wird kontrolliert und umgesetzt. Nach der Grundausbildung besitzt ein Sicherheitsbeauftragter einen Überblick zu verschiedenen Maßnahmen der Unfallvermeidung und kennt die gesetzlichen Rahmenbedingungen inkl. der Struktur des Arbeitsschutzes in Deutschland. Schnell kommt der Sicherheitsbeauftragte in Situationen, Kollegen und Mitarbeiter von sicherheitsbewusstem Verhalten überzeugen zu müssen. Ein solches Gespräch stellt Sicherheitsbeauftragte ohne Weisungsbefugnisse vor ganz neue Herausforderungen.
Zu erkennen, dass ein Kollege sich unsicher verhält und den Kollegen wirklich von der Änderung seines Verhaltens oder vom Umdenken zu überzeugen, sind zwei unterschiedliche, aufeinander aufbauende Aufgaben:
Im ersten Schritt muss der Sicherheitsbeauftragte sein erlerntes Wissen zu Unfallgefahren und sicherem Verhalten inkl. der entsprechenden Regeln in die Praxis übertragen. Wenn ein Kollege keine Sicherheitsschuhe trägt oder seinen Bildschirm zu hoch eingestellt hat, dann sollte dies dem Sicherheitsbeauftragten als Gesundheitsgefahr auffallen. Im zweiten Schritt muss diese Feststellung „hier besteht eine Gefahr für meinen Kollegen“ aber auch kommuniziert und vermittelt werden. Dafür braucht es ein Rüstzeug an Kommunikationstechniken und Gesprächskompetenz. Die Fähigkeit, Unfall- und Gesundheitsgefahren zu erkennen, reicht also nicht aus. Nur wenn ein Sicherheitsbeauftragter es schafft, seine Botschaft zu kommunizieren, kann das Unfallrisiko tatsächlich minimiert werden.
Drei wiederkehrende Probleme
Die Expert Me Akademie hat in den letzten Jahren mehr als 600 Unternehmen dabei unterstützt, Sicherheitsbeauftragte auszubilden. Nach der Ausbildung werden die Teilnehmer und Teilnehmerinnen weiterhin betreut. Dabei wurden drei regelmäßige Herausforderungen festgestellt:
- Sicherheitsbeauftragte werden von gleichrangigen Kollegen nicht ernst genommen und ihr Engagement verpufft. Sie schaffen es nicht eine Verhaltensveränderung herbeizuführen. Kollegen reagieren nur auf Sanktionen des Vorgesetzten und wollen vom Sicherheitsbeauftragten keine Verbesserungsvorschläge annehmen.
- Sicherheitsbeauftragte wollen nicht als „Buhmann“ da stehen und reagieren deshalb nicht. Es fehlt das nötige Handwerkszeug in der Gesprächsführung, um Verbesserungsvorschläge kritikfrei zu kommunizieren. Um sich bei seinen Kollegen nicht unbeliebt zu machen, werden z. B. Beinahe-Unfälle nicht gemeldet.
- Sicherheitsbeauftragte wissen nicht, wie sie ihre Botschaft richtig verpacken sollen und resignieren.
Die Sicherheitsbeauftragten haben eine gute Grundausbildung auf der technischen und gesetzlichen Ebene erhalten. Rhetorische Fähigkeiten oder das gezielte Erzeugen von Motivation wurde jedoch nicht geschult. Aus unserer Sicht ist dies jedoch ein wesentlicher Baustein für die erfolgreiche Arbeit von Sicherheitsbeauftragten.
Fünf mögliche Ansätze für die Gesprächsstruktur
Das persönliche Gespräch ist das wichtigste Werkzeug des Sicherheitsbeauftragten. Kollegen, aber auch Vorgesetzte sollen hierdurch für die Belange des Arbeitsschutzes gewonnen werden. Vorbildhaftes Verhalten soll dadurch gefördert und die Selbstverantwortung verbessert werden. Nur wie spricht man die Mitarbeiter, Kollegen oder auch Vorgesetzten an, wenn man das bestmögliche Ergebnis erzielen will?
Arbeitet eine Person oder auch eine Gruppe ungesund, nicht richtig oder auch gar nicht gesichert, muss der Sicherheitsbeauftrage umgehend eingreifen. Nachfolgend formulieren wir beispielhaft fünf mögliche Schritte, wie der Sicherheitsbeauftrage eine solche Situation erkennt und darauf reagiert, und wie er sofort ein adäquates Gespräch strukturieren kann.
Gesundes und sicheres Verhalten erkennen: Der Sicherheitsbeauftragte muss darauf fokussiert sein ungesundes und unsicheres bzw. gefährliches Verhalten zu erkennen. D. h. er sollte während der täglichen Arbeit Situationen und Verhalten auch immer durch „die Brille des Arbeitsschutzes“ sehen. Oft ist unsere Aufmerksamkeit auf viele Dinge gleichzeitig gerichtet und der Fokus auf den Arbeitsschutz sinkt.
Umgehend Ansprechen: Es macht keinen Sinn einen Mitarbeiter erst nach ein paar Tagen auf eine Situation anzusprechen und z. B. darauf hinzuweisen, dass dieser den Handlauf nicht genutzt und dabei telefoniert hat. Der Kollege könnte die Situation schon längst vergessen haben.
Wahrnehmung/ Beobachtung darstellen: Der Sicherheitsbeauftrage muss den Kollegen sofort mitteilen, was er beobachtet hat, ohne die Situation bereits zu bewerten. Es soll also möglichst neutral die Situation wiedergegeben werden. Kommt beispielsweise ein Kollege mit Augenringen zur Arbeit, wäre folgende Aussage bereits eine Interpretation: „Ich sehe, sie sind müde und unkonzentriert“. Dies würde in den meisten Fällen wahrscheinlich als persönlicher Angriff interpretiert werden und sollte unbedingt vermieden werden. Stattdessen beschränkt sich der SiBe darauf, dass wiederzugeben was er wirklich sieht: „Ich sehe, Sie haben heute Augenringe“.
Über offenes Fragen die Gründe ermitteln: Sicherheitsbeauftrage sollen und müssen die Kollegen offen nach den Gründen für ihr Verhalten fragen. Ziel ist es hier den wirklichen Grund für das Verhalten zu erfahren. Vorwände wie z. B. „Es war keine Zeit“ weisen häufig darauf hin, dass die Prioritäten falsch gesetzt wurden. Hier muss dann erst einmal das Verständnis geschaffen werden, dass ein Verhalten wirklich gefährlich sein kann und die Prioritäten überdacht werden müssen.
Konsequenzen/ Gefahren/ Risiken erfragen: Eine Möglichkeit, ein Bewusstsein für Konsequenzen, Risiken und Gefahren zu schaffen ist, die richtigen Fragen zu stellen: „Was kann schlimmstenfalls passieren?“ „Sie tragen lange Ärmel und arbeiten an einer Drehbank, was denken Sie, könnte hier passieren?“ Durch die Tatsache an sich, dass die Kollegen sich, allein durch die richtigen Fragen, selbst mögliche Gefahren überlegen und Risiken bewerten müssen, wird viel eher eine Akzeptanz für Schutzmaßnahmen erreicht werden, als mit diktierten Vorgaben.
Auch ohne Weisungsbefugnis muss man als Sicherheitsbeauftragter selbstbewusst auftreten und kommunizieren können. Grundlage dazu ist ein Werkzeugkoffer, gefüllt mit unterschiedlichen Techniken zur Gesprächsführung mit seinen Kollegen und Vorgesetzten.
Kollegen müssen intrinsisch für sicheres Arbeiten motiviert werden. Bei der intrinsischen Motivation handelt es sich um ein Verhalten, dass durch einen inneren oder intrinsischen Wunsch angetrieben wird – also aus eigenem Antrieb. Der Sicherheitsbeauftragte soll seine Kollegen dazu motivieren, ein Verhalten an den Tag zu legen, welches aus dem eigenen Inneren heraus ein sicheres Arbeiten und Verhalten verlangt.
Als Sicherheitsbeauftragter ist man oft mit falschen Glaubenssätzen konfrontiert. Mit psychologischem Hintergrundwissen, Kommunikationstechniken und praxisnahen Handlungsempfehlungen kann der Sicherheitsbeauftragte die Akzeptanz für Arbeitsschutzmaßnahmen steigern.
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