Wer einen Mobilkran einsetzt, benötigt eine Gefährdungsbeurteilung, die der jeweiligen Situation angepasst ist. Doch die wenigsten Unternehmen machen das. Matthias Müller (Foto), Prokurist bei AST Arbeitssicherheit und Technik, über lauernde Gefahren, Ursachen grober Fahrlässigkeit und wie man sie vermeiden kann.
Herr Müller, weshalb ist es wichtig, dass man für einen Mobilkran für jeden Einsatz eine neue Gefährdungsbeurteilung aufstellt?
Matthias Müller: Damit man vorausschauend, sicher und unfallfrei arbeiten kann. Zudem stellt sich von Job zu Job eine kontinuierliche Optimierung von sicheren Arbeitsweisen ein. Agiles Handeln ist die Essenz der Regelwerke des Arbeitsschutzgesetzes ArbSchG, der Betriebssicherheitsverordnung BetrSichV und vor allem der regelmäßig aktualisierten Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS). Sie beschreiben den neuesten Stand der Technik und garantieren eine Vermutungswirkung, dass bei Einhaltung Rechtssicherheit besteht. Derzeit wird ein Paradigmenwechsel deutlich. Das in die Jahre gekommene Vorschriftenwerk der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) wird durch moderne Handlungsansätze der TRBS abgelöst, die auf Basis aktueller europäischer Arbeitsschutzrichtlinien aufbauen.
Können Sie ein Beispiel nennen?
Müller: Im Jahr 2015 stand in einem Beitrag eines Rechtsanwalts, dass für Mobilkranbetreiber, die eine Gefährdungsbeurteilung auf Basis der berufsgenossenschaftlichen Vorschrift 52 in der Schublade hätten, keine Beurteilung bei jedem neuen Einsatz notwendig wäre. Derselbe Fachanwalt argumentiert heute zum Glück das Gegenteil. Dies macht deutlich, wie gefährlich es ist, sich im Arbeitsschutz nicht nach dem aktuellen Stand der Technik zu orientieren. Insofern führt kein Weg daran vorbei, dass eine Gefährdungsbeurteilung für jeden neuen Einsatz unter anderem bezüglich Koordination, Verkehrssicherung oder Abgrenzung des Gefährdungsbereichs durchgeführt, dokumentiert und überprüft werden muss.
Wird dies oft falsch gemacht und weshalb?
Müller: Meine Beobachtungen und meine Erfahrung verraten mir, dass nur etwa fünf Prozent der Mobilkraneinsätze ordentlich beurteilt werden. Sprich: Bei 95 Prozent wird die Situation vor Ort nicht konsequent und nachvollziehbar bewertet. Dies geschieht unter anderem aus Unwissenheit oder auch Desinteresse. Viele Unternehmen scheuen auch Kosten, doch das ist nicht langfristig und letztendlich auch nicht wirtschaftlich gedacht. Mein Tipp: Nehmen Sie sich Zeit und lassen Sie sich von geeigneten Fachkräften für Arbeitssicherheit unterstützen, dann werden Sie schnell zu sinnvollen, pragmatischen Lösungen kommen.
Was geben Sie ihren Kunden mit auf den Weg?
Müller: Ich empfehle meinen Kunden für den Aufgabenbereich ein dreistufiges Konzept mit einer generellen Gefährdungsbeurteilung für das Unternehmen, einer Projektgefährdungsbeurteilung bei Auftragsannahme und Vorplanung. „On top“ wird in einem dritten Schritt die Gefährdungsbeurteilung am Einsatztag auf Basis der ersten beiden Schritte vor Ort quergeprüft. Eventuell können hier noch ergänzende Maßnahmen festgelegt werden. Aufwändig und kostspielig muss das nicht sein, mit den entsprechenden digitalen Werkzeugen geht das schnell und bequem.
Welche Gefahren lauern bei unsachgemäßer Handhabung?
Müller: Da gibt es eine Vielzahl an Risikoszenarien, die sich aus diesem Defizit bei einem Mobilkraneinsatz ereignen können. Sie können das räumliche Umfeld des Verkehrsbereichs rund um die Kranarbeiten, die standsichere Aufstellung, das Heben der Lasten sowie auch den Verlauf des Lasttransports mit der Absetzstelle oder den Einbauort betreffen. Nicht zu vergessen: Bei einem Hubvorgang mit einem Mobilkran sind immer mehrere Personen involviert, darunter Anschläger, ein Koordinator des Lasttransports oder Monteure, die Lasten sicher übernehmen müssen.
Welche Folgen drohen dem Unternehmer bei Missachtung?
Müller: Man kann davon ausgehen, dass derjenige, der es zu verantworten hat, dass keine Gefährdungsbeurteilung im notwendigen Umfang oder mit der notwendigen Fachkunde durchgeführt wurde und eine Kausalität zum Unfall besteht, grob fahrlässig handelt. Dies kann als Ordnungswidrigkeit eingestuft werden und mit Bußgeld oder bei Vorsatz oder Wiederholung sogar mit Freiheitsstrafe belegt werden. Dies öffnet natürlich die Flanke für Regressanforderungen der Unfallversicherungsträger, wobei hierbei sechs- bis siebenstellige Schadensersatzansprüche durchaus die Realität sind.