Gute, gesunde Luft und ein niedrigeres Risiko zu erkranken: Raumluftfilter werden für Kitas und Schulen empfohlen. Aber gilt das auch für Handwerksbetriebe und das produzierende Gewerbe? Simon Kraft, Fachkraft für Arbeitssicherheit bei BAD, dem Spezialisten für gesunde Arbeitsplätze, geht im Interview auf die Vorteile, aber auch auf die Grenzen der Geräte ein und räumt mit Klischees auf.
Über gesunde Raumluft wird aktuell viel diskutiert. Was ist überhaupt gesunde Raumluft?
Simon Kraft: Was wirklich gesunde Raumluft ist, lässt sich nicht einfach beantworten. Der Idealfall wäre sicher eine unbelastete Luft wie in der freien Natur, auch wenn Allergiker das vielleicht noch etwas anders betrachten. In Räumen treten neben dem durch Atmung entstehenden Kohlendioxid und Wasserdampf noch häufig Dämpfe, Stäube und Aerosole eingesetzter Arbeitsstoffe wie Lösemittel, Kleb- und Kühlschmierstoffe, Lötrauche, Reinigungsmittel usw. auf. Je nach Region tritt auch noch das radioaktive Edelgas Radon auf. Für viele dieser Stoffe gibt es Arbeitsplatzgrenzwerte oder Richtwerte für die Innenraumluft. Je deutlicher diese Grenzwerte unterschritten werden, desto besser die Luft.
Bei der Übertragung des Coronavirus spielen vor allem Aerosole eine Rolle. Wie lange können Aerosole in geschlossenen Räumen überleben?
Kraft: Dieser Frage sind Wissenschaftler des Max-Planck-Instituts im vergangenen Jahr nachgegangen und haben auf Basis der damals bekannten Daten und Virusvarianten einen Risikokalkulator erstellt. Raumgröße, Lüftung, Verhalten der infizierten Personen und Dauer der Raumnutzung sind die relevanten Größen. Generell handelt es sich bei Aerosolen mit Viruspartikeln zunächst um in Flüssigkeit eingehüllte Viren oder deren Bestandteile. Je größer diese sind, desto schneller sinken sie zu Boden. Bei sehr trockener Luft verdunstet die Flüssigkeit rasch und das Virus bleibt quasi als Feinstaub in der Luft. Feinstaub sinkt nur sehr langsam ab, das kann mehrere Stunden bis Tage dauern. Daher steigt im Winter das Infektionsrisiko in Innenräumen gegenüber einem feuchtwarmen Sommer.
Kann mit Raumluftfiltern das Infektionsrisiko beseitigt werden?
Kraft: Das Wort Filter suggeriert, dass ein Filter nicht zu Infektionen führt. Dem ist aber nicht so. Der Einsatz von Raumluftfiltern ist lediglich eine unterstützende Maßnahme, um das Infektionsrisiko zu senken. Ausgeatmete Luft wird durch einen Raumluftfilter nicht sofort wieder eingesaugt, sondern muss erst zu diesem gelangen. Aktuelle Empfehlungen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung zu Luftfilteranlagen in öffentlichen Gebäuden lauten, dass durch die Geräte ein drei- bis fünffacher Luftwechsel je Stunde erreicht werden muss.
Was sollte man beim Kauf und Einsatz von Raumluftfiltern unbedingt beachten?
Kraft: Die Auswahl der richtigen Filterklasse ist essenziell, d. h. die Geräte sollten mindestens die Kategorien H13 oder H14 nach DIN EN 1822-1 haben. Auch müssen sie regelmäßig gewartet werden. Bei der Aufstellung sollte zudem die Luftströmung den Bereich durchspülen, in dem sich die Personen aufhalten. Und genau hier liegt der Knackpunkt: Hindernisse im Raum können die Luftströmung stark beeinflussen und diese nicht mit einfachen Mitteln vorhersehbar machen.
Was sind die Vorteile von Raumluftfiltern? Für welche Fälle eignen sie sich besonders gut?
Kraft: Raumluftfilter sind dort vorteilhaft, wo sich mehrere Personen über einem längeren Zeitraum in einem Raum aufhalten und Lüftungsmöglichkeiten eingeschränkt sind, z. B. Räume ohne technische Lüftung und welche mit einer großen Tiefe und nur einseitiger Fensterfront. Hier können mobile Raumluftfilter hilfreich sein, um die schlecht durchlüfteten Raumbereiche zu entschärfen.
Sollten Betriebe direkt in große Raumluftfilteranlagen investieren?
Kraft: Raumluftfilteranlagen mit Anbindung an die Außenluft haben gegenüber mobilen Geräten den Vorteil, dass ein Luftwechsel erfolgt und so auch der Sauerstoffanteil hoch und das Kohlendioxid niedriger gehalten wird. Durch Wärmerückgewinnung kann sich der nachträgliche Einbau sogar gegenüber der klassischen Fensterlüftung amortisieren. Neben Viren werden auch andere Schadstoffe aus der Luft mit abtransportiert, was ein mobiles Filtergerät insgesamt nicht leisten kann.
Wie kann die Infektionsgefahr in Arbeitsräumen möglichst gering gehalten werden?
Kraft: Das A und O ist Frischluft. Dort, wo der Luftaustausch beeinträchtigt ist, kann der Einsatz von mobilen Raumluftfiltern helfen, das Risiko zu senken. Da Standgeräte im gewerblichen Bereich häufig stören, ist der Einbau einer RLT-Anlage, die für ausreichend Luftwechsel sorgt, eine Wärmerückgewinnung hat und durch geeignete Luftführung das Infektionsrisiko minimiert, die bessere Wahl.