Laut einer aktuellen Studie der Europäischen Agentur für Sicherheit und Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz sind UV-Strahlen der häufigste krebserregende Risikofaktor, dem europäische Arbeitnehmer ausgesetzt sind. UV-Schutz-Expertin Dr. Susanne Kemme vom Euskirchener Hersteller Peter Greven Physioderm gibt Antworten auf die wichtigsten Fragen zum Thema.
Frau Dr. Kemme, hat sich die UV-Belastung durch den Klimawandel erhöht?
Dr. Susanne Kemme: Ja, ganz eindeutig. Die Klimaerwärmung hat vielfältige Auswirkungen. Es ist beispielsweise so, dass bereits Ende März, Anfang April durch den Klimawandel bedingte Niedrigozonereignisse auftreten, die zu plötzlichen und unerwartet hohen UV-Bestrahlungsstärken führen. Überhaupt beginnt die Belastung schon sehr früh im Jahr, wenn die Menschen über das Thema UV-Schutz noch gar nicht so sehr nachdenken. Was viele nämlich nicht wissen: Allein auf die Monate April und Mai entfällt ein Viertel der jährlichen UV-Bestrahlung. Über das ganze Jahr verteilt steigt die Zahl der Sonnenscheinstunden durch den Klimawandel stetig. Und auch die Zahl der Sommertage, also der Tage mit einer Temperatur von über oder gleich 25 Grad, hat sich erhöht. All das führt dazu, dass sich die Menschen sowohl im privaten als auch im beruflichen Kontext gerne mehr im Freien aufhalten und dadurch einer erhöhten UV-Strahlungsbelastung ausgesetzt sind.
Was ist das Gefährliche an UV-Strahlen?
Dr. Kemme: Wenn die UV-Strahlen zu lange und zu intensiv auf die Haut einwirken, können sie das Erbgut der Hautzellen schädigen, sodass Krebszellen entstehen. Wir unterscheiden zwischen unterschiedlichen Strahlungsarten: Die UV-B-Strahlen sind kurzwellig und energiereich, dringen aber weniger tief in die Haut ein. Die UV-A-Strahlen sind langwellig und haben weniger Energie, dringen aber tiefer in die Haut ein. Nach wissenschaftlichen Erkenntnissen sind beide Strahlungsarten für lichtbedingte Hautschäden wie etwa den Weißen Hautkrebs verantwortlich, sowie für Hautalterung. Professioneller UV-Schutz muss also vor beiden Strahlungsarten schützen.
Welche Berufsgruppen sind besonders gefährdet?
Dr. Kemme: Alle, die häufig und regelmäßig im Freien arbeiten. Neuen Schätzungen zufolge soll es rund 7,2 Millionen dieser sogenannten Outdoor-Worker in Deutschland geben. Weil die Gefahr gerade für Outdoor-Worker besonders groß ist, können der Weiße Hautkrebs und seine Vorstufen seit 2015 als Berufskrankheit anerkannt werden. Seither liegen die Fallzahlen auf konstant hohem Niveau.
Wie kann man sich schützen?
Dr. Kemme: Die gute Nachricht vorab: Wer geeignete Schutzmaßnahmen trifft, kann das Risiko, an Weißem Hautkrebs zu erkranken, deutlich senken. Wie grundsätzlich bei der Beseitigung von allen Gefahren am Arbeitsplatz gilt das TOP-Prinzip. Demnach sollten also zunächst technische, dann organisatorische und schließlich persönliche Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Technische Maßnahmen heißt, dass etwa Sonnensegel aufgebaut oder andere Formen der Abschattung errichtet werden, um die direkte Sonneneinstrahlung zu verhindern. Zu den organisatorischen Maßnahmen gehört es beispielsweise, dass die Arbeitszeiten nicht in der sonnenintensivsten Zeit zwischen 11 und 14 Uhr liegen sollten, sodass die Mitarbeiter zu Zeiten mit starker Sonneneinstrahlung nicht im Freien tätig sind.
Das lässt sich im Arbeitsalltag aber schwierig umsetzen, oder?
Dr. Kemme: Genau, deswegen müssen letztendlich in den allermeisten Fällen persönliche Schutzmaßnahmen ergriffen werden. Für die Beschäftigten bedeutet das, dass sie eine angemessene Kopfbedeckung, Sonnenbrille und UV-Schutzkleidung tragen müssen. Aber auch das reicht nicht aus, weil die besonders neuralgischen Körperstellen in jedem Fall mit Sonnenschutzmitteln eingecremt oder besprüht werden müssen. Daher lautet die Eselsbrücke viermal „H“: Hemd, Hose, Hut und hoher Lichtschutzfaktor.
Welche Körperstellen sind denn besonders neuralgisch?
Dr. Kemme: Das sind die sogenannten Sonnenterrassen wie Nase, Ohren, Unterlippe, Nacken oder Hände, die sich nur sehr schwer bedecken lassen.
Worauf ist bei der Auswahl der Sonnenschutzmittel zu achten?
Dr. Kemme: Zunächst einmal: Die Arbeitgeber müssen gefährdeten Mitarbeitern Schutzprodukte zur Verfügung stellen. Dabei benötigen Outdoor-Worker auf jeden Fall UV-Schutz für den Profigebrauch. Produkte aus dem Consumer-Bereich eignen sich häufig nämlich nicht richtig für die berufliche und dauerhafte Anwendung.
Warum nicht?
Dr. Kemme: Zum einen liegt es an der Zusammensetzung der Inhaltsstoffe. Viele Profimittel decken nämlich, anders als einige Produkte aus dem Supermarkt oder der Drogerie, das gesamte als gefährlich geltende Strahlungsspektrum gleichmäßig ab – also sowohl UV-A- als auch UV-B-Strahlen. Die Europäische Kommission empfiehlt, dass 1/3 der UV-Filter in einem Sonnenschutzmittel die Haut ausschließlich vor UV-A-Strahlen schützen sollen. Profimittel sollten ausgewogener vor UV-A- und UV-B-Strahlen schützen. Ein anderer Aspekt ist, dass sehr viele Consumer-Produkte Parfüm enthalten. Das riecht zwar gut, allerdings sind Parfüminhaltsstoffe für die Hautverträglichkeit nicht unumstritten, weil sie grundsätzlich Allergien auslösen können. Das ist ein Problem, das sich in Verbindung mit der Sonneneinstrahlung noch verschärft, weil Parfüminhaltsstoffe Sonnenallergien fördern können.
Und was ist sonst noch wichtig?
Dr. Kemme: Zum einen sollten Sonnenschutzmittel mindestens Lichtschutzfaktor 30 aufweisen. Für alle, die intensiver bzw. langer Sonneneinstrahlung ausgesetzt sind, empfiehlt sich sogar Lichtschutzfaktor 50. Zum anderen sollten sie idealerweise extra wasserfest sein, damit sie nach dem Schwitzen nicht immer wieder neu aufgetragen werden müssen. Denn wer im Sommer draußen arbeitet, der schwitzt – und zwar ganz anders als jemand, der sich am Strand bräunt.
Wie sieht es mit der richtigen Dosierung aus?
Dr. Kemme: Grundsätzlich gilt: Viel hilft viel. Je mehr Mittel aufgetragen werden, desto besser ist der Schutz. Die richtige Dosierung funktioniert am besten mit Spendersystemen. Man kann die Spender beispielsweise im Servicefahrzeug oder im Bauwagen anbringen. So ist man zugleich abgesichert, dass das Sonnenschutzmittel immer vor Ort ist. Tuben kann man schließlich schnell mal vergessen. In jedem Fall ist es wichtig, den Sonnenschutz regelmäßig zu erneuern, um den Schutz aufrecht zu erhalten. Regelmäßig bedeutet konkret, dass man alle zwei bis drei Stunden nachcremen oder -sprayen sollte.
Hat sich der Umgang mit dem Thema UV-Schutz verändert in den vergangenen Jahren?
Dr. Kemme: Ja, der Umgang hat sich durch die Aufnahme des Weißen Hautkrebses in die Liste der Berufskrankheiten stark verändert. Durch die intensive Aufklärungsarbeit hat ein Mentalitätswechsel stattgefunden. Früher waren es viele Berufstätige nicht gewohnt, sich vor der Sonne zu schützen. Heute lernen die Auszubildenden schon in der Berufsschule, wie wichtig der UV-Schutz ist. Die jüngere Generation ist deswegen viel besser informiert und auch aufgeschlossener. Für uns als Profianbieter ist die Aufklärung ein ganz wesentlicher Bestandteil unserer Arbeit. Wenn Beschäftigte beim Eincremen aber nicht die ausreichende Menge verwenden, sich nicht richtig eincremen oder nicht regelmäßig nachcremen – dann hilft auch der höchste Lichtschutzfaktor nichts. Als Profianbieter helfen wir mit Unterweisungen und Hilfsmitteln wie Postern und Infokarten und sensibilisieren so die Mitarbeitenden.
Dr. Susanne Kemme
… ist Expertin für UV-Schutz beim Euskirchener Hautschutzhersteller Peter Greven Physioderm.