Seit 2009 vergibt das Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) gemeinsam mit den zuständigen Ministerien der Länder und der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung den Deutschen Arbeitsschutzpreis. Die Preisverleihung in Berlin wurde mit dem Dialog Zukunft Arbeitsschutz 2025 zu einer Veranstaltung im Konferenzzentrum des Bundes verknüpft.
Insgesamt prüfte die Jury aus Wirtschaft, Politik, Verbänden und Wissenschaft 180 Einreichungen, von denen zwölf anhand der folgenden Kriterien für den Deutschen Arbeitsschutzpreis 2025 nominiert wurden:
Wirksam: Die Lösung ist zielführend in der Sache und messbar im Erfolg
Übertragbar: Die Lösung hat Vorbildwirkung und inspiriert, ohne Blaupause sein zu müssen
Nachhaltig: Die Lösung ist ressourcenschonend und auf eine länger fristige Nutzung hin konzipiert und umgesetzt
Kreativ: Die Lösung ist einfach genial oder genial einfach entwickelt oder umgesetzt
Tatsächlich waren die jeweils drei Erstplatzierten der vier Kategorien „Strategisch“, „Betrieblich“, „Kulturell“ und „Persönlich“ zu der Veranstaltung eingeladen, unwissend, auf welchen Platz die Jury das jeweilige Unternehmen gesetzt hat. Dennoch erfuhr die Maika Bau aus Lingen dank eines charmanten Patzers etwas früher als eigentlich vorgesehen, dass sie mit ihrer selbst entwickelten App die Kategorie „Strategisch“ gewonnen hatte. Lilian Tschan, Staatssekretärin im BMAS, startete nämlich bereits ihre Laudatio, als eigentlich die drei Kandidaten auf den Preis vorgestellt werden sollten.
Nachhaltige Verbesserung von Arbeits- und Umweltschutz
„Arbeitsschutz soll idealerweise Krankheiten und Unfälle verhindern und somit Ausfallzeiten reduzieren“, betonte die Staatssekretärin in ihrem Grußwort. Zu oft werde eher auf Defizite geschaut, auf das, was nicht oder schlecht läuft. „Insofern ist es gut, das heute Positives ausgezeichnet wird“, so Lilian Tschan weiter, denn „gute Arbeitsbedingungen sind ein Magnet für Mitarbeiter. Arbeitsschutz ist kein überflüssiger Kostenfaktor.“ Das Unternehmen aus Lingen verfolgt seit Jahren Strategien zur Arbeitssicherheit und auch zur Nachhaltigkeit. Die Firma ist auf Großbaustellen in ganz Deutschland tätig. Das machte die Kommunikation im Unternehmen in der Vergangenheit oft zäh und störungsanfällig, auch und gerade im Arbeitsschutz, für den laut Gesetz der Arbeitgeber verantwortlich ist. Mit der Entwicklung „Digitaler Hilfsmitteln zur nachhaltigen Verbesserung von Arbeits- und Umweltschutz im Unternehmen“ schaffte das Unternehmen Verbesserungen in sechs Bereichen – mit Hilfe von QR-Codes und der selbst entwickelten Mainka App. Dadurch werden nun Informationen zum Arbeitsschutz leichter erhoben und dokumentiert, Ressourcen effizienter genutzt, Prozesse optimiert und Umweltauswirkungen reduziert. Projekte und einzelne Tätigkeiten lassen sich besser planen und koordinieren, Personal kann optimal eingesetzt werden und viele Vorgänge, die bislang in Papierform abgewickelt wurden, laufen durch die Digitalisierung leichter und transparenter.
Gute Verquickung
Die Energis-Netzgesellschaft wurde in der Kategorie „Betrieblich“ ausgezeichnet. Das Unternehmen hat seine Hubarbeitsbühnen mit Spannungssensoren ausgerüstet, um die Beschäftigten optisch und akustisch zu warnen, wenn sie einer unter Spannung stehenden Leitung zu nahe kommen. Die Kategorie „Kulturell“ entschied die mobile Haus-Krankenpflege Kröber und das St. Marien-Hospital Marsberg gewann in Kooperation mit der FH Münster die Kategorie „Persönlich“.
Als gute Verquickung mit der Preisverleihung erwies sich der „Dialog Zukunft Arbeitsschutz 2025“. Keynote-Speakerin Dr. Stefanie Schöler lenkte den Blick auf die mentale Gesundheit der arbeitenden Bevölkerung. In ihrem Vortrag „Arbeitsschutz reloaded: Warum mentale Gesundheit am Arbeitsplatz nicht nur ein Nice-to-have ist“ nannte sie auch einige schockierende Zahlen. So weisen die Statistiken für das Jahr 2023 deutschlandweit rund 10.300 Suizide aus, „das bedeutet nahezu stündlich ein Selbstmord in Deutschland“, machte Schöler deutlich. Demgegenüber nannte sie beispielhaft die „nur“ 381 tödlichen Arbeitsunfälle, „von denen auch jeder einer zu viel ist“, wollte sie das krasse Verhältnis dieser Zahlen vor Augen führen. Denn ein Suizid kann die finale Stufe einer mentalen Erkrankung sein, und da wachsen die Ausfallzeiten stetig. „Für 15 Prozent der Arbeitsunfähigkeitstage pro Jahr sind psychische Erkrankungen der Auslöser“, wusste Schöler zu berichten. „Statistisch hat bereits jeder fünfte Beschäftigte schon einmal eine Depressions-Diagnose erhalten.“ Insofern lautete ihre Empfehlung an Unternehmen und Betriebe, eine Art „Gefährdungsbeurteilung psychische Belastung“ vorzunehmen, um gefährdete Mitarbeiter frühzeitig zu
unterstützen.
Wunsch und Wirklichkeit
Im Anschluss an ihren Vortrag äußerte sich Dr. Schöler auch noch mit der Professorin für Arbeits- und Organisationspsychologie an der Berliner Hochschule für Technik Dr. Antje Ducki und Michaela Kanthak, Aufsichtsperson und Regionalleiterin NRW der BGHW sowie dem Erfinder und Innovationsberater Felix Röwekämper in einer kleinen Diskussionsrunde zum Thema „Realitäten im Arbeitsschutz – zwischen Wunsch und Wirklichkeit“.
Angesprochen auf trockene und komplizierte Regeln und Normen betonte Prof. Ducki: Regeln sind ein Schutzfaktor. Man muss besser kommunizieren, warum diese Regeln so wertvoll sind und warum sie erhalten werden müssen.“ Regeln seien wichtige Werte, die nicht über Bord geworfen werden dürften. Michaela Kanthak hat in ihrer alltäglichen Praxis erfahren, dass „wenn wir einen Sinn in etwas sehen, dann auch entsprechend engagiert sind. Dann investieren wir Zeit oder auch Geld.“ Alternativ werden auch Dinge gemacht, die Spaß bereiten. So nannte sie eine Fortbildung für Sicherheitsfachkräfte, die als Schnitzeljagd inszeniert war, als ein Beispiel. Das habe den Teilnehmern viel Spaß bereitet und die Inhalten seien auch hängengeblieben.
Von Camillo F. Kluge