Gesunde Betriebe benötigen gesunde Beschäftigte! Dies gilt in besonderem Maße für Handwerks- und andere Kleinbetriebe. Gefordert sind hier vor allem die Unternehmer. Denn sowohl aus wirtschaftlichen Gründen, insbesondere der Vermeidung unnötiger Kosten, als auch durch rechtliche Vorgaben, müssen sie sich um die Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit kümmern.
Für die Unternehmen bedeutet das, den Arbeitsschutz in ihren Betrieben praktikabel zu organisieren, die Umsetzung wirksam zu managen und die ergriffenen Maßnahmen schließlich auch nachweisen zu können. Die Handwerksbetriebe fordern hierfür einen einfachen, handwerksgerechten Leitfaden. Deshalb wurde im Projekt „Noah.in“ der SHK-Innung Freiburg (siehe Kasten) mit Handwerksbetrieben das Konzept eines „handwerksgerechten Arbeitsschutz mit System“ entwickelt und erfolgreich erprobt.
Schlüsselfaktoren und betriebliche Umsetzung
Für die Handwerksbetriebe wichtige Punkte lauten: Hilfe zum Selbstmanagen durch den Unternehmer, Unterstützung und Entlastung der Unternehmer, Anleitung und Befähigung der betrieblichen Umsetzer durch Beratende im Handwerk sowie Nutzung einfacher Werkzeuge. Das Konzept eines handwerksgerechten Arbeitsschutzes mit System eignet sich vor allem für kleinere Betriebe, die für die betriebsärztliche und sicherheitstechnische Betreuung (nach Arbeitssicherheitsgesetz und DGUV Vorschrift 2) das Unternehmermodell anwenden.
Die smarte, also einfache und intelligente Umsetzung sieht im Wesentlichen fünf Bausteine (Bild 1) vor:
1. Bedeutung, Nutzen und Handlungsbedarf erkennen
Zunächst müssen sich die Unternehmer mit der Sicherheit und Gesundheit bei der Arbeit in ihrem Betrieb auseinandersetzen und den betrieblichen Handlungsbedarf ermitteln. Dies geht besonders gut in einem eintägigen Unternehmer-Workshop „Chefsache Arbeitsschutz“, der beispielsweise von einem Beratenden im Handwerk moderiert wird.
2. Voraussetzungen schaffen
Alle Mitarbeiter müssen dazu beitragen, dass sie und ihre Kollegen jeden Tag unverletzt und gesund wieder nach Hause gehen können. Dies muss angeleitet und betriebsgerecht organisiert sein. Als erste Maßnahme sollten auch kleine Betriebe den Kreis der „Mitstreiter“ erweitern (Bild 2). Dazu benennt und beauftragt der Unternehmer geeignete Personen, die Aufgaben im Arbeitsschutz neben den primären Aufgaben zu übernehmen. Bei der praktischen Umsetzung haben sich die Funktionen des Kümmerers und der Auftragsverantwortlichen vor Ort (AvO) als besonders hilfreich erwiesen.
Kümmerer sind üblicherweise Mitarbeiter aus dem Verwaltungsbereich. Da die Unternehmer auf den Arbeitsplätzen vor Ort – beispielsweise bei Baustellen – nicht ständig anwesend sein können, benennen sie für jede Baustelle mit mehr als einem Mitarbeiter einen erfahrenen Gesellen zum AvO. Die Praxis zeigt, dass die Mitstreiter überbetrieblich zu qualifizieren sind. Dies übernehmen handwerksnahe Anbieter der „Unterstützung im Konvoi“. Kümmerer und Unternehmer regeln weiterhin die Einbindung von Arbeitsschutzbelangen in die relevanten Prozesse, wie beispielsweise die Arbeitsvorbereitung, die Abwicklung der täglichen Aufträge, die Beschaffung sowie die Beauftragung von Partnerfirmen. Sie legen auch die Zuständigkeiten und Vorgehensweisen bei der Gefährdungsbeurteilung, der Festlegung von Schutzmaßnahmen, den Unterweisungen und ähnlichem fest
3. Gefährdungsbeurteilungen durchführen
Ein handwerksgerechter Arbeitsschutz sieht drei Formen von Gefährdungsbeurteilungen vor:
- Standard-Gefährdungsbeurteilungen
Sie werden für den überwiegenden Teil der Tätigkeiten durch den Unternehmer und einen AvO erstellt. Bewährt haben sich hierfür überbetriebliche Workshops, die der Anbieter der „Unterstützung im Konvoi“ organisiert und durchführt. - Vor-Ort-Gefährdungsbeurteilung
Auf den Arbeitsplätzen vor Ort gibt es über die Standardgefährdungen hinaus besondere Gefährdungen. Dies ermittelt der AvO mit Hilfe einer kleinen Checkliste, legt die erforderlichen Schutzmaßnahmen fest und stellt die Umsetzung sicher. - Ermittlung und Beurteilung der psychischen Belastungen und Ableitung von Maßnahmen.Hierfür haben sich halbtägige interne Workshops mit den Beschäftigten bewährt. Moderiert werden sie durch den Konvoi-Berater.
4. Arbeitsschutz täglich leben
Den Arbeitsschutz als Teil der täglichen Arbeit anwenden, ist der wichtigste Punkt. Auch hier muss der Chef mit gutem Beispiel vorangehen und die Umsetzung auch einfordern. Gefordert ist auch der Kümmerer, der beispielsweise die regelmäßigen sicherheitstechnischen Prüfungen sowie die Schulungen (z. B. der Ersthelfer) veranlassen muss.
5. Wirksamkeit sicherstellen
Die gesetzliche geforderte Sicherstellung der Wirksamkeit – prüfen der Umsetzung und Nachsteuern bei Bedarf – übernehmen der Chef, die AvO’s und der Kümmerer im Rahmen ihrer täglichen Arbeit.
Erfolgreiche Erprobung
Das Konzept eines handwerksgerechten Arbeitsschutzes mit System hat sich in der Praxis bewährt. Die Vorgehensweise, Maßnahmen und Werkzeuge werden als praktikabel, klein-/ handwerksgerecht und hilfreich bewertet. Erforderlich ist eine handwerksnahe Anleitung und Unterstützung der Betriebe. Auch hierfür wurde ein handwerksgerechtes Konzept, die „Unterstützung im Konvoi“ entwickelt und erfolgreich erprobt. In einem weiteren Beitrag wird die Dienstleitung „Handwerksbetriebe im Konvoi bei der Umsetzung eines handwerksgerechten Arbeitsschutzes anleiten und unterstützen“ vorgestellt. Nähere Informationen sind über die Transferstelle „Noah.in“ erhältlich.
Transferstelle "Noah.in"
Die Transferstelle hat die Förderung der Anwendung eines wirksamen Arbeitsschutzes in Handwerks- und anderen Kleinbetrieben zum Ziel. Sie unterstützt Anbieter, also handwerksnahe Organisationen, Organisationen des Handwerks und andere Beratende im Handwerk, die die Dienstleitung „Handwerksbetriebe im Konvoi bei der Umsetzung eines handwerksgerechten Arbeitsschutzes anleiten und unterstützen“ erbringen sowie Anwender (Verantwortliche in Handwerks- und anderen Kleinbetrieben) beispielsweise durch die Bereitstellung von Informationen, handwerkstauglicher Werkzeuge oder die Vermittlung von Konvoi-Beratern und ähnliches.
Die Transferstelle „Noah.in“ ist erreichbar unter www.fbt-ritter.de.
Zur Person
Dr. Dipl.-Wirtsch.-Ing. Albert Ritter ist Inhaber und Leiter des Forschungs- und Beratungsinstituts FBT (Forschung – Beratung – Training). Die Arbeitsschwerpunkte liegen in der strategischen Ausrichtung und Führung kleiner Unternehmen, in der wirkungsvollen und menschengerechten Gestaltung von Arbeitssystemen und Organisationen sowie der Realisierung eines systematischen Arbeitsschutzes (Arbeitsschutzmanagements), der auch die Gesundheitsförderung einschließt
Wir haben nachgefragt
Herr Dr. Ritter, Sie sprechen davon, Handwerksbetriebe im Konvoi bei der Umsetzung eines handwerksgerechten Arbeitsschutzes anzuleiten und zu unterstützen. Was meint der Begriff Konvoi?
Dr. Albert Ritter: Ein Konvoi ist hier ein loses Netzwerk von eigenverantwortlich agierenden Betrieben, die ähnliche Ausgangsbedingungen und das gleiche Ziel haben. Den Rahmen bilden das Ziel, die Unterstützungsangebote sowie die Austauschmöglichkeiten. Jeder beteiligte Betrieb bestimmt das Ausmaß seiner Beteiligung und die Geschwindigkeit der Umsetzung selbst.
Warum ist Unterstützung ein Thema?
Dr. Ritter: Es geht ja schließlich um eine wirksame und rechtskonforme Umsetzung der gesetzlichen und berufsgenossenschaftlichen Arbeitsschutzforderungen. Und das Arbeitssicherheitsgesetz fordert eine „Betreuung im Arbeitsschutz“.
Was ist die Unterstützung im Konvoi?
Dr. Ritter: Hierbei handelt es sich um eine alternative Möglichkeit der Betreuung von Handwerks- und anderen Kleinbetrieben. Sie eignet sich vor allem für Betriebe, die das Unternehmermodell anwenden und setzt auf ein Anleiten zum eigenständigen Umsetzen. Dabei werden handwerksnahe Zugänge und Synergien eines Konvois gleichartiger Betriebe genutzt.
Wie sieht ein Konzept für eine solche Unterstützung aus?
Dr. Ritter: Anbieter dieser Dienstleistung sind Handwerksorganisationen, Beratende im Handwerk sowie regionale Servicestellen für betriebliche Gesundheit. Diese Anbieter sprechen Handwerksbetriebe an und informieren diese über das Dienstleistungsangebot. Mit jeweils etwa 10 interessierten Handwerksbetrieben werden dann Konvois gebildet und Rahmenbedingungen wie beispielsweise Kosten abgestimmt. Schließlich entsendet der Anbieter einen erfahrenen eigenen oder auch externen Konvoi-Berater.
Der macht dann was?
Dr. Ritter: Der Konvoi-Berater stimmt die Art und Weise der Unterstützung der beteiligten Betriebe mit diesen ab und führt überbetriebliche Unterstützungsmaßnahmen wie Workshops durch. Er stellt handwerkstaugliche Werkzeuge zur Verfügung und leitet an, wie diese anzuwenden sind. Bei Bedarf unterstützt er dabei vor Ort oder zieht beratende der Krankenkassen oder Berufsgenossenschaften hinzu. Auch nach dem Aufbau des betriebsspezifischen Arbeitsschutzsystems steht er für Nachfragen als Ansprechpartner und Berater zur Verfügung, aber letztlich sollen die jeweiligen Unternehmer mit ihren entsprechenden Mitarbeitern den Arbeitsschutz eigenverantwortlich umsetzen. Zur Unterstützung können sich Handwerksorganisationen, Betriebe oder Konvoi-Berater an die Transferstelle „Noah.In“ wenden.