Die Absicherung gegen Berufsunfähigkeit ist sowohl für den angestellten Mitarbeiter als auch für den selbstständigen Handwerker ein Muss. Eine Krankheit, ein Unfall oder eine Allergie machen plötzlich die Ausübung des Berufs unmöglich. Allein von der gesetzlichen Unterstützung, die ein Angestellter erhält, ist mittelfristig nicht zu leben. Wie man sich wappnen kann, verrät Finanzexperte Paul van Gerven.
Eine Berufsunfähigkeitsversicherung (BU) gilt als eine ideale Absicherung. Für einen Selbstständigen oder Unternehmer, so sagt man, sollte die BU ohnehin zwingend zur Vorsorge zählen. Wann liegt denn überhaupt eine Berufsunfähigkeit vor? Gibt es da Unterschiede zwischen der gesetzlichen Regelung und den Versicherungen?
Paul van Gerven: Da gibt es gravierende Unterschiede. Zunächst gibt es bei der gesetzlichen Rentenversicherung nur die Erwerbsminderungsrente. Beträgt die tägliche Leistungskraft weniger als sechs Stunden, liegt eine halbe, bei weniger als drei Stunden eine volle Erwerbsminderung vor. Bei einer halben Erwerbsminderung beträgt die Rente im Schnitt nur 15 Prozent des ehemaligen Bruttolohns. Bei der Berufsunfähigkeitsversicherung, die mit Vertragsabschluss Leistungen erbringt, ist das unterschiedlich geregelt. Bei manchen Gesellschaften ist man bereits ab 50 Prozent berufsunfähig. Das heißt, wenn die Person nur noch maximal 50 Prozent der Arbeitskraft erbringen kann, ist sie berufsunfähig. Das gilt allerdings nur, wenn der Vertrag keine sogenannte abstrakte Verweisung beinhaltet.
Abstrakte Verweisung heißt?
van Gerven: Die abstrakte Verweisung ist Bestandteil mancher BU. Sie erbringt keine Leistung, wenn zum Beispiel der Lackierer zwar in seinem ausgeübten Beruf nicht mehr arbeiten kann, damit also in seinem Beruf berufsunfähig ist, aber einen anderen vollumfänglich ausüben kann. Bei solch einer abstrakten Verweisung bekommt der Kunde kein Geld. Da zahlen solche Versicherungen erst, wenn er gar keinen Beruf mehr ausüben kann. Diese Form der Absicherung setzt die Berufsunfähigkeit mit der Erwerbsunfähigkeit gleich.
Gibt es weitere Unterschiede bei den BU?
van Gerven: Grundsätzlich sollte jeder eine BU haben. Das ist in meinen Augen neben der Haftpflichtversicherung eine der wichtigsten Absicherungen überhaupt. Diese sollte man so früh wie möglich abschließen, und zwar aus einem einfachen Grund: Sobald bestimmte Krankheiten oder ein Unfall eingetreten sind, kann man keine BU mehr abschließen. Wenn der Kunde zum Beispiel einmal beim Psychologen war, gibt es Gesellschaften, die den Antrag ablehnen. Die denken einfach, dass das Risiko, dass dieser Kunde beispielsweise einen Burn Out bekommt, sehr groß ist. Der Vorteil, die BU sehr früh, am besten in der Ausbildung oder als Student, abzuschließen, ist zudem ein niedriger Beitrag. Viele Gesellschaften bieten optional später eine Leistungserhöhung ohne erneute Gesundheitsabfrage. Ein Selbstständiger oder Unternehmer trägt ein erhöhtes Risiko. Er sollte eine BU haben, denn über die gesetzliche Rentenversicherung besteht maximal eine geringfügige Absicherung.
Das scheint ein ziemlich unübersichtliches Feld zu sein.
van Gerven: Deswegen ist eine Beratung vom Spezialisten ein Muss. Einfach so sollte eine BU nicht abgeschlossen werden. Da weiß der Kunde hinterher gar nicht, was genau er abgeschlossen hat. Die Vielfalt an verschiedenen Parametern, die eine BU ergänzen können, ist enorm. Das geht über Laufzeiten, Beiträge oder Wiedereingliederungen, um ein paar Beispiele zu nennen. Eine Beratung ist daher sehr wichtig, damit der Kunde ein passgenaues Angebot erhält.
Welche Besonderheiten gibt es noch?
van Gerven: Üblicherweise tritt eine BU nach einem halben Jahr in Kraft. Sollte der Kunde an einer Erkrankung oder Verletzung leiden, die ein halbes Jahr oder länger andauert, bekommt er nach sechs Monaten Geld – bei vielen Verträgen sogar rückwirkend. Für die Zeit dazwischen empfiehlt sich eine Krankentagegeldversicherung. Sollte sich die Krankheit oder Verletzung irgendwann erledigen, der Kunde beispielsweise nach zwei Jahren wieder ins Arbeitsleben können, gibt es Versicherungen, die noch ein halbes Jahr lang eine Wiedereingliederungshilfe zahlen.