Aktuelle Zahlen zeigen: Transporter sind mehr als 14.000 Mal im Jahr in schwere Verkehrsunfälle verwickelt – dazu kommen Arbeitsunfälle zum Beispiel bei Be– und Entladung. Durch richtige Konfiguration beim Kauf wären die Fahrzeuge der Klasse bis 3,5 Tonnen wesentlich sicherer unterwegs. Dr. Klaus Ruff, stellv. Präventionsleiter der BG Verkehr, gibt zehn Ausstattungstipps, die unbedingt beherzigt werden sollten.
Sie sind die Lastesel des E-Commerce, und auch für viele andere Nutzungszwecke erste Wahl: Transporter mit einem zulässigen Gesamtgewicht bis 3,5 t haben in Deutschland in den letzten Jahren einen unglaublichen Boom hingelegt. Nach Angaben des Verbandes der Automobilindustrie wurden allein im Jahr 2019 rund 300.000 dieser Fahrzeuge neu zugelassen – im Jahr 2010 waren es noch 192.000.
Allerdings gibt es auch eine Schattenseite: Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes waren Transporter allein im Jahr 2019 deutschlandweit an 14.128 Verkehrsunfällen mit Personenschäden beteiligt. Dazu kommt, dass Transporter auch Arbeitsmittel sind. Rund um Transporter ereignen sich viele Arbeitsunfälle – beispielsweise beim Be– und Entladen, beim Rückwärtsfahren und Rangieren, durch Wegrollen, bei Pannen oder Instandhaltungsarbeiten.
Anforderungen an Sicherheitsausstattung
Unfallfachleute sehen zwei Hauptursachen: Transporter bis 3,5 t dürfen mit einem Führerschein der Klasse B gefahren werden, und viele gelernte Pkw-Fahrer und Fahrerinnen sind mit der durchaus anspruchsvollen Fahrphysik der Transporter nicht ausreichend vertraut. Zum anderen sind noch nicht alle Transporter/Kastenwagen in der serienmäßigen Grundausstattung dem Stand der Technik gemäß ausgerüstet. Dies gilt auch für den Schutz des Fahrers vor nicht gesicherter Ladung, etwa bei starkem Abbremsen: Airbag, Sicherheitsgurt und Knautschzone nutzen wenig, wenn wegen fehlender oder mangelhafter Trennwand von hinten Gefahr durch die Ladung droht.
Abhilfe schaffen können die Fahrzeugbetreiber selbst. Sie müssen ihre Anforderungen an Sicherheitsausstattung definieren und entsprechend investieren. Das verteuert zwar die Anschaffung, ist aber gut angelegtes Geld. Unfälle treiben die Kosten für die KfZ-Versicherung hoch und im Fall von Verletzungen der Beschäftigten auch die Mitgliedsbeiträge für die gesetzliche Unfallversicherung. Dazu kommen Ausfallzeiten für das Personal und das Fahrzeug, Schäden an der Ware und vieles mehr.
Zehn unverzichtbare Features
Die Zubehörlisten der Fahrzeughersteller und der Fahrzeugausrüster beinhalten eine reiche Auswahl an Sicherheitsausstattung. Nicht jede Option ist für jeden Einsatz gleichermaßen sinnvoll. Folgende zehn Features sollten aber bei keiner Bestellung fehlen:
Rückfahrassistenzsystem:
Sensorgesteuerte Systeme und Kamera-Monitor-Systeme senken das Risiko beim Rückwärtsfahren, haben aber auch ihre Schwächen. Sensorgesteuerte Einrichtungen reagieren auf alle Objekte, die sich im Fahrbereich befinden, auch wenn diese nicht sicherheitsrelevant sind wie z. B. Laub. Bei Kamera-Monitor-Systemen muss das Fahrpersonal die Displays zusätzlich zu den beidseitig angebrachten Außenspiegeln im Auge behalten. Eine Kombination beider Systeme ist am effektivsten und wird als Rückfahrassistenzsystem bezeichnet. Nach dem Prüfgrundsatz GS-VL 40 „Anforderungen an Rangier- und Rückfahrassistenzsysteme für Nutzfahrzeuge“ zertifizierte Systeme stellen sicher, dass der Stand der Technik eingehalten ist.
Bremsassistent und Notbremsassistent:
Sehr viele Unfälle wären vermeidbar oder weniger folgenschwer, wenn am Anfang des Bremsvorgangs nicht zu zaghaft gebremst werden würde. Ein Bremsassistent (BAS) erkennt die Absicht, eine Gefahrenbremsung durchzuführen und unterstützt diese durch Einsteuerung des vollen Bremsdruckes. Der Notbremsassistent warnt bei Gefahr des Auffahrens auf ein vorausfahrendes Fahrzeug visuell und/oder akustisch. Zudem leitet er bei unzureichender Bremsung selbsttätig eine Notbremsung ein.
Elektronisches Stabilitäts-Programm (ESP):
Das ESP ist eine so genannte Fahrdynamikregelung. Es wirkt Schleuderbewegungen entgegen durch Eingriffe der Elektronik in die Bremsanlage und das Motormanagement. Neueste ESP-Generationen umfassen beispielsweise herstellerabhängig einen Kippschutz, einen Seitenwindassistenten, eine adaptive Lastenkontrolle sowie eine Anhängerstabilisierung. ESP ist ein hochwirksames Instrument zur Unfallvermeidung, weil sehr vielen Unfällen ein Schleudern des Fahrzeugs vorausgeht.
Geschwindigkeitsbegrenzer (120 km/h):
Die Geschwindigkeit eines Transporters bis 3,5 t zulässige Gesamtmasse bei 120km/h zuzüglich Toleranz elektronisch abzuregeln, ist technisch einfach. In einer kritischen Situation kann ein Fahrzeug sehr viel früher zum Stehen gebracht werden, wenn es als Ausgangsgeschwindigkeit 120km/h statt Höchstgeschwindigkeit fährt. Beispiel: Der Anhalteweg, der sich aus Reaktionsweg und Bremsweg zusammensetzt, ist um 68% länger, wenn die Ausgangsgeschwindigkeit 160km/h statt 120km/h beträgt.
Reifendruckkontrollsystem:
Fahrverhalten, Sicherheit, Handling, Komfort – das alles ist in entscheidendem Maße abhängig vom richtigen Reifen, d. h. auch Winterreifen in der kalten Jahreszeit, und dem Reifenluftdruck. Platzt ein Reifen oder verliert schlagartig Luft bei hoher Geschwindigkeit, ist ein schwerer Unfall kaum zu vermeiden. Ein Reifendruckkontrollsystem warnt während der Fahrt, wenn in einem Reifen durch schleichenden Druckverlust der eingestellte Sollwertdruck deutlich unterschritten wird. Trotz Reifendruckkontrollsystem kann auf eine regelmäßige Luftdruckkontrolle nicht verzichtet werden.
Heckseitiger Aufstieg mit Haltegriffen:
Für Ein- und Aufstiege gibt es in der DGUV-Vorschrift 70 und 71 „Fahrzeuge“ festgelegte Grenzmaße. So muss eine zusätzliche Aufstiegsstufe vorhanden sein, wenn die Ladefläche 500 mm oder höher über dem Boden liegt. Wird der heckseitige Einstieg wie zum Beispiel in der KEP-Branche häufig oder mit Lasten in der Hand genutzt, besteht Bedarf nach einer Aufstiegsstufe schon bei Ladeflächenhöhen von höchstens 400 mm. Stufen/Tritte müssen ausreichende Breite haben; empfohlen werden etwa vier Fünftel der Fahrzeugbreite. Sie müssen zudem ausreichende Fußraumtiefe aufweisen, Mindestmaß 150 mm, empfohlen 200 mm. Die Fußraumtiefe soll hinter dem Ladeflächenabschluss liegen, um das Fahrzeug auch vorwärts sicher verlassen zu können. Die Trittfläche muss aus rutschhemmendem Rostmaterial mit Verdrängungsraum für Schnee und Eis bestehen. Jedem Zugang zum Laderaum sollte ein geeigneter Haltegriff zugeordnet sein.
Navigationssystem:
Navigationssysteme sind äußerst nützlich, wenn nicht stets dieselben, sondern ständig wechselnde Be– und Entladestellen angefahren werden müssen. Sie ersparen den lästigen und während der Fahrt gefährlichen Umgang mit Straßenkarten und Stadtplänen. Wichtig: Die eingesetzten digitalen Karten müssen bei einem Einsatz in Nutzfahrzeugen Höhen- oder Gewichtsbeschränkungen abbilden. Moderne Systeme berücksichtigen bei der Routenberechnung Verkehrsinformationen in Echtzeit. Das Navigationsgerät darf nicht im Hauptsichtbereich der Frontscheibe angebracht sein.
Trennwand:
Eine stabile und gut verankerte Trennwand ist der wichtigste Basisschutz vor Einflüssen der Ladung. Eine Trennwand muss serienmäßig mitgeliefert werden und den Mindestanforderungen nach DIN ISO 27956:2011-11, Straßenfahrzeuge – Ladungssicherung in Lieferwagen (Kastenwagen) – Anforderungen und Prüfmethoden (ISO 27956:2009), genügen. Ein offener Durchgang zwischen Fahrerhaus und Laderaum ist nicht zulässig. Ist eine Schiebetür vorhanden, gelten für sie die gleichen Anforderungen wie für die Trennwand. Natürlich muss die Schiebetür während der Fahrt stets geschlossen sein.
Zurrpunkte:
Ladungssicherung spielt auch im Transporter eine wichtige Rolle. In vielen Fällen kann die Ladung nur durch Zurrmittel, beispielsweise Zurrgurte aus Chemiefasern, durch Nieder- oder Direktzurren gesichert werden. Dies ist nur dann effektiv, wenn sowohl die Verpackung, die Ladeeinheit als auch die Zurrpunkte geeignet sind, die durch die Sicherungsmethode bzw. die durch Beschleunigungsvorgänge hervorgerufenen Kräfte aufzunehmen. Mindestanzahl und Mindestfestigkeit der Zurrpunkte sind für Kastenwagen in den bereits erwähnten Normen DIN ISO 27956:2011-11, ISO 27956:2009 festgelegt. Achtung beim Fahrzeugkauf: Lassen Sie sich bestätigen, dass die Zurrpunkte die Normanforderungen erfüllen.
Laderaumboden mit Antirutschhemmung:
Je höher der Reibwert zwischen Ladung und Laderaumboden ist, umso geringere Zurrkräfte müssen beim Niederzurren aufgebracht werden. Das wirkt sich auf die Anzahl einzusetzender Zurrgurte aus. Beim Reibwert des Laderaumbodens gilt es abzuwägen: Für die Ladungssicherung sollte der Reibwert möglichst hoch sein, für einfaches Be– und Entladen (Verschieben der Ladung) ist ein hoher Reibwert eher hinderlich. Den besten Kompromiss bietet meistens ein oberflächenrauer Siebdruckboden. Das, was an optimaler Rutschhemmung dann noch fehlt, kann durch reibwerterhöhende Materialien, z. B. sogenannte „Anti-Rutsch-Matten“, erreicht werden.
Diese Sicherheitsausstattungen sind nur ein kleiner Ausschnitt der verfügbaren Möglichkeiten. Einen weitaus umfassenderen Einblick bietet die DGUV Information 214-083 – „Der sicherheits-optimierte Transporter“. Sie ist auf der Homepage der BG Verkehr (www.bg-verkehr.de) mit dem Webcode 11144964 erhältlich.
Allerdings gilt auch für einen perfekt ausgestalteten Transporter: Letztlich entscheidend für die Sicherheit ist immer der, der hinter dem Lenkrad sitzt. Qualifizierungsmaßnahmen für den Fahrer in Sachen Sicherheit sind Investitionen, die sich immer rechnen.