Jan Rzepka ist immer noch verblüfft. Vor zwei Monaten hat er das erste Mal ein Exoskelett getragen. Bereits vom ersten Moment an hat er gemerkt, dass ihm das Heben der schweren Schrankelemente leichter fällt. Inzwischen spürt er ganz deutlich, dass ihn die Schultern nicht mehr schmerzen und er abends mehr Energie für Freizeitaktivitäten hat.
Rzepka arbeitet in der Fertigung bei Rotpunkt Küchen, einem Hersteller für hochwertigen Küchen im westfälischen Bünde. Dort werden seit über drei Jahren erfolgreich Exoskelette eingesetzt. Zur Zeit tragen 30 der 330 Mitarbeiter regelmäßig Exoskelette, vor allem in der Fertigung, Logistik und Montage.
So wie Jan Rzepka geht es vielen Mitarbeitern, die Exoskelette regelmäßig tragen. Elemente wie individuell hergestellte Schrankelemente, Arbeitsplatten oder Fronten können leichter gehoben und gehalten werden. Auch Arbeiten über Kopf werden so erträglicher. Die Arbeit fällt leichter und am Abend haben sich die Ermüdungserscheinungen deutlich reduziert. Für seine Kollegin Sonja Herbrechtsmeier zeigt sich noch ein weiterer Effekt ganz deutlich: Sie hält sich auch nach dem Tragen des Exoskelettes gerade und hebt auch in ihrer Freizeit ergonomisch richtig. Beschwerden in Rücken und Schultern, die sie zuvor häufig gespürt hat, haben seitdem deutlich nachgelassen.
Was sind Exoskelette?
Exoskelette sind äußere und eng am Körper getragene Stützvorrichtungen, mit dem Ziel Schulter und Wirbelsäule deutlich zu entlasten. Inzwischen werden Exoskelette nicht mehr nur im medizinischen Bereich eingesetzt, auch viele Unternehmen haben den Vorteil dieser Exoskelette erkannt und setzen sie zur Entlastung von Mitarbeitern ein. Unterschieden wird zwischen passiven (mechanischen) und aktiven Exoskeletten (mit Motorantrieb). In der Regel entscheiden sich Unternehmen derzeit noch für passive Exoskelette, weil sie erheblich kostengünstiger, leichter und einfacher in der Handhabung sind.
Ein Exoskelett, das vom Lendenwirbelbereich bis zu den Schultern unterstützt, kann deutlich Bandscheibenvorfällen und Schulterbeschwerden vorbeugen oder bestehende Beschwerden lindern. Laut einer britischen Statistik betreffen rund 45 Prozent aller Verletzungen des Muskel-Skelett-Apparates die oberen Gliedmaße des Schulter- und Halsbereichs und 39 Prozent den Rücken. Für Unternehmer bedeutet dies, dass Krankheitskosten signifikant reduziert werden können. Zudem bleiben Mitarbeiter länger fit, Fachkräfte werden an das Unternehmen gebunden und die Attraktivität als Arbeitgeber wird gesteigert.
Wann sind Exoskelette sinnvoll?
Für die Einführung der Exoskelette haben sich Geschäftsführung und Betriebsrat von Rotpunkt Küchen gemeinsam entschieden. In der Produktion waren bereits alle technischen und organisatorischen Maßnahmen des Gesundheitsmanagements ausgeschöpft, ein Einsatz von Robotern zu teuer. Außerdem sind in dem Unternehmen viele Handgriffe nur durch einen Menschen durchzuführen, weil viel individuell für Kunden produziert wird. Der Krankenstand in den Produktionsorten mit besonders hoher körperlicher Beanspruchung war deutlich erhöht, sodass ein Handeln seitens des Unternehmens unbedingt notwendig wurde. In Gesprächen mit Mitarbeitern zeigte sich, dass vor allem Beschwerden im Rückenbereich und in der Muskulatur der Schultern immer wieder zu Ausfallzeiten führte. Viele ältere Mitarbeiter strebten frühzeitig eine Pensionierung an, weil sie sich der Belastung körperlich nicht mehr gewachsen fühlten. Diese Arbeitskräfte zu entlasten und im Unternehmen zu halten, war die Grundidee für eine Entscheidung zugunsten der Exoskelette.
Hürde Mitarbeiter
Nach der Entscheidung des Unternehmens für Exoskelette zeigte sich in den Schulungen deutlich eine der größten Hürden bei der Einführung: Einige Mitarbeiter zeigten Zweifel, ob ein Exoskelett für sie das Richtige ist. Diese Zweifel und Ängste aus dem Weg zu räumen ist einer der wichtigsten Schritte in der Einführung von Exoskeletten.
Auch Sonja Herbrechtsmeier hatte zu Beginn Angst, dass eine Maschine ihre Bewegungen steuern könnte. Diese Angst konnte durch eine Begleitung und Schulung schnell aus dem Weg geräumt werden. In der Regel unterstützen Exoskelette die natürliche Bewegung des Menschen und folgen den Impulsen, die der Körper vorgibt. Das führt dazu, dass nach einer Eingewöhnungszeit das Exoskelett kaum noch als Fremdkörper wahrgenommen wird.
Auch ist das Gewicht der passiven Exoskelette inzwischen sehr niedrig, teilweise wiegen sie weniger als drei Kilogramm. Und die Bedienung ist einfach: Mit wenigen Handgriffen können Mitarbeiter ihr Exoskelett schnell an- und ausziehen. Jan Rzepka berichtet, dass er das Exoskelett nur als leichten Rucksack wahrnimmt. Für ihn und seine Kollegen hat sich die Einführung der Exoskelette deutlich gelohnt. Die Arbeit geht im leichter von der Hand und er fühlt sich auch nach der Arbeit deutlich fitter und hat mehr Energie, um seinen sportlichen Aktivitäten am Abend nachzugehen.
Gesundheitsmanagement für Unternehmen
Nur ein Gesundheitsmanagement, das sich individuell auf die Rahmenbedingungen des jeweiligen Unternehmens vor Ort ausrichtet, entfaltet sein volles Potenzial. So lautet die Maxime des BGPM Forums. Geschäftsführer Klaus Westhoff (Foto) beantwortet einige Fragen zu den Betrieblichen Gesundheits-Management Projekten.
Herr Westhoff, für welche Unternehmen eignen sich Exoskelette besonders?
Klaus Westhoff: Exoskelette eignen sich dort, wo Mitarbeiter viel heben und tragen müssen oder länger über Kopf arbeiten. Das ist meist in der Logistik, beim Kommissionieren und in der Fertigung der Fall. Aber auch Bauunternehmen und Elektriker profitieren bereits davon. Ob ein Einsatz von Exoskeletten sinnvoll ist, klärt man am besten während einer Beratung.
Warum sollten sich Unternehmen zum Einsatz von Exoskeletten beraten lassen?
Westhoff: Exoskelette sehen wir als einen Baustein des Betrieblichen Gesundheitsmanagements in Unternehmen. Dafür betrachten wir den Einsatz in einem ganzheitlichen Zusammenhang. Fällt eine Entscheidung für Exoskelette, dann sind im Vorfeld bereits alle anderen Maßnahmen ausgeschöpft, die Mitarbeiter entlasten können. Zudem können während der Beratung die Ziele des Unternehmens genau betrachtet und die Situation der Mitarbeiter und Arbeitsplätze analysiert werden. Auf Wunsch organisieren wir Testtage, an denen ausgewählte Mitarbeiter ausgiebig ein Exoskelett probieren können.
Auf welcher Grundlage beraten Sie?
Westhoff: In meinem Unternehmen sind alle Mitarbeiter physiotherapeutisch geschult oder verfügen über eine ähnliche vergleichbare Ausbildung. Dadurch können wir unabhängig vom Hersteller beraten und das richtige Exoskelett wählen für die entsprechende körperliche Beanspruchung. Hinzu kommt meine persönliche Erfahrung von über 20 Jahren im Betrieblichen Gesundheitsmanagement. Ich schneide das Gesundheitsmanagement individuell auf ein Unternehmen zu, damit sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer ihren größtmöglichen Nutzen daraus ziehen können.
Wie läuft eine Einführung von Exoskeletten ab?
Westhoff: Fällt nach einer Beratung die Entscheidung für Exoskelette aus, dann folgt eine Schrittweise Einführung in das Unternehmen. Mitarbeiter werden von uns in der Bedienung und im Anlegen der Exoskelette geschult und über ein paar Stunden bei der Arbeit begleitet. Hier werden neben Fragen zur richtigen Bedienung auch Ängste und Zweifel besprochen und diesen entgegengewirkt. Die Arbeitszeit, während der Mitarbeiter das Exoskelett tragen, wird sukzessive über sechs Wochen erhöht. Es folgen in der Regel noch ein oder zwei Termine, um den Erfolg der Einführung zu begleiten und zu messen.
Gibt es eine Fördermöglichkeit für die Einführung von Exoskeletten?
Westhoff: Im Kreis Osnabrück wird die Einführung von Exoskeletten gefördert durch die WIGOS (Wirtschaftsförderung Landkreis Osnabrück). Unternehmen aus dem Landkreis können für die Anschaffung, Schulung und Begleitung bei der Implementierung von Exoskeletten 15 Prozent der Kosten geltend machen bei einer Gesamtsumme ab 20.000 Euro. Wir gehen davon aus, dass andere regionale Wirtschaftsförderungen zukünftig vergleichbare Programme anbieten.
Wie können Unternehmen Sie erreichen?
Westhoff: Wir arbeiten im ganzen deutschsprachigen Raum. Mehr Informationen zur Beratung bekommen Sie auf unserer Internetseite unter www.bgpm-forum.de/exoskelette
Oder Sie sprechen mich direkt an unter: kontakt@bgpm-forum.de