Schier endlos schlängeln sich die Serpentinen, bei Gegenverkehr muss an vielen Stellen ein Fahrzeug warten. Schließlich führt der Weg ab von der Bundesstraße, noch einmal ein paar Kilometer weiter östlich weg vom Comer See in Norditalien. Am Ende der Straße – und das ist wörtlich gemeint – liegt der Ort Premana, dahinter finden sich nur noch etwas Wald und Berge. Kaum zu glauben, dass hier ein weltweit agierender Hersteller beheimatet ist, doch findet sich die Zentrale von C.A.M.P. in dem entlegenen 2200 Einwohner-Ort.
Dabei ist der Hersteller von Produkten für Arbeiten in der Höhe und den Bergsport nicht einmal der Einzige, der in diesem abgeschiedenen Winkel der Lombardei seine Produktionsstätten hat. Hier werden auch Scheren, Schneidgeräte und die in Italien populären Sicherheitsrasierer von Fatip hergestellt. Das liegt daran, dass der Ort eine lange Tradition in der Eisen- und Stahlbearbeitung hat, denn die entsprechenden Rohstoffe wurden in der nahen Umgebung gefördert. Seit nunmehr 134 Jahren stellt hier auch C.A.M.P. seine Produkte her.
„Wir befinden uns mit dem Unternehmen auch heute noch am Ort seiner Gründung und C.A.M.P. ist immer noch im Besitz der Gründerfamilie“, sagt Eddy Codega, Präsident und Geschäftsführer von C.A.M.P., bei der Begrüßung anlässlich einer Händlerveranstaltung am Unternehmenssitz, der auch der SZwei Verlag beiwohnen durfte. „Unsere Ausrichtung zielt nicht auf den kurzfristigen, schnellen Erfolg, sondern wir wollen langfristig erfolgreich bleiben.“ Eine Ausrichtung, die durch die Lage des Unternehmens quasi bestätigt wird, denn für den schnellen Erfolg wäre eine bessere Verkehrsanbindung sicher von Vorteil. Aber so geht hier in Premana alles familiär und gemütlich zu.
Auftragsbücher gut gefüllt
Trotz des abgeschiedenen Unternehmenssitzes ist C.A.M.P. in 84 Ländern weltweit mit seinen Produkten vertreten. Das bedeutet auch, sehr viele unterschiedliche Ansprüche, Anforderungen und Normen zu erfüllen, wie Codega sagt. Das gelingt offensichtlich sehr gut, denn „unsere Auftragsbücher sind im Prinzip für die nächsten fünf Jahre schon gefüllt.“ Das gelingt, weil das Unternehmen auch mit seinen Partnern im Vertrieb langfristig plant. „Dazu gehört, dass wir unsere Partner verstehen, ihre Probleme und ihre Sorgen kennen“, sagt Codega, „nur so können wir miteinander erfolgreich sein.“
Sicher habe es immer wieder einmal Gedanken gegeben, den Standort zu verlegen. „Aus logistischen Gründen, um mehr hochqualifizierte Mitarbeiter zu gewinnen, oder um sich vielleicht breiter aufzustellen“, zählt Codega auf. „Aber wir haben auch eine Verantwortung für unseren Standort hier, für die Familien, die für und mit uns hier arbeiten.“ Etwa ein halbes Dutzend kleinerer Familienunternehmen im Ort arbeitet ausschließlich für C.A.M.P.. Die Familien setzen die Einzelteile der Produkte zusammen. Die Familie Pezzolini zum Beispiel, die mit drei Generationen in ihrem zur Werkstatt umgebauten Keller agiert, hat sich auf das Zusammensetzen der Alu-Bauteile von C.A.M.P. spezialisiert.
Vor etwa 40 Jahren wurden tatsächlich noch komplett alle Produkte des Unternehmens in Premana produziert, mittlerweile ist das nicht mehr möglich. Das Produktangebot für Seilzugangstechniker, für Arbeiten auf Dächern oder Hebebühnen, für die organisierte Rettung oder den Bergsport ist einfach viel zu umfangreich. So gibt es diverse Zulieferer, aber gut und gerne 100 Menschen in der kleinen norditalienischen Gemeinde arbeiten allein für C.A.M.P.! „Hier werden vorrangig Stahl-Produkte und Produkte mit Bändern gebaut“, sagt Christian Bickel, Vertriebsleiter Deutschland.
Werte und langfristige Partnerschaften
„Es ist schon überraschend, wie klein und familiär das Unternehmen aufgestellt ist“, sagt Felix Leuschner, Technische Leitung und Geschäftsführung bei HanseClimbing. „Toll finde ich, dass C.A.M.P. solch einen großen Wert auf Werte und Verantwortung legt. Das war und ist sehr mutig, nicht den Profit in den absoluten Fokus zu rücken, sondern Werte und langfristige Partnerschaften. Mit Unternehmen, die ihre Werte hochhalten, pflegen wir meist sehr angenehme Partnerschaften.“
Natürlich müssen auch die Produkte passen. Dazu werden diese regelmäßig im unternehmenseigenen Prüflabor getestet. „Wir haben hier alle Maschinen, die auch bei den offiziellen Zertifizierungen eingesetzt werden“, sagt Andrea Ratti, der für das Prüf- und Testlabor bei C.A.M.P. verantwortlich ist und als Weltklasse-Kletterer bereits am Rockmaster, der inoffiziellen Weltmeisterschaft des Kletterns, teilnehmen durfte. Die Aufgaben des Labors sind auf drei Schwerpunkte verteilt. Einmal werden allein die Produkte auf ihre Funktionen getestet, dann gilt es, die finalen Prototypen genauestens vor der jeweiligen Zertifizierung zu prüfen. Schließlich sollen sie direkt bestehen, denn Zertifizierungen kosten eine Menge Geld. „Außerdem führen wir hier noch regelmäßig Qualitätskontrollen der einzelnen Produkt-Chargen durch“, nennt Ratti den dritten Aspekt. Dabei kommen nicht nur die klassischen Karabiner oder Verbindungselemente hier im Labor genauestens unter die Lupe, auch Banddämpfer oder Helme werden in Premana genauestens auf ihre Zuverlässigkeit überprüft und getestet.
Wurzeln liegen bei Kuhglocken
Angefangen hat C.A.M.P. einst mit der Produktion von Kuhglocken. Diese werden auch heute noch hergestellt, allerdings eher aus traditionellen Gründen, aber noch in einem überraschend großen Umfang. Allerdings ist Tradition ja ein auch wichtiger Faktor für das Unternehmen, denn schließlich baut darauf die Erfolgsgeschichte des Unternehmens auf. Die startete eigentlich so richtig durch, als das 1889 vom Schmied Nicolas Codega gegründete Unternehmen 1920 den Auftrag erhielt, das italienische Militär mit Eispickeln auszustatten. Das war der erste Schritt auf dem Weg in die Produktwelt der Kletterausrüstung.
Heute hat sich das Unternehmen auf zwei Bereiche fokussiert, die mit dem unlängst eingeführten neuen Branding C.A.M.P. die Themen für Bergsteiger und die seit 1998 erfolgreich unter CAMP safety beheimatete Arbeitssicherheit wieder unter ein Dach führte. Denn sowohl für den Klettersport als auch für die alltägliche Arbeit in der Höhe sind die Anforderungen ähnlich, werden oft identische Produkte genutzt. Und mit seinen innovativen und leistungsfähigen Produkten, bei denen neben der Sicherheit der Fokus auch auf bequemem Sitz und einfacher Handhabung liegt, erobert das Unternehmen in beiden Sparten immer mehr Marktanteile.
Neben den Tests im Prüflabor gibt es auch noch eine „klassische“ Qualitätskontrolle, wo nicht Sicherheit und Zuverlässigkeit im Fokus stehen. „Jedes Produkt wird von C.A.M.P. noch einmal einzeln in die Hand genommen, geprüft, ob die Optik einwandfrei ist, ob das Design korrekt ist“, weiß Christian Bickel. Denn schließlich ist ein einwandfreies Design bei den Produkten genauso wichtig wie die Funktionalität, wenn man als Unternehmen weitestgehend ohne Marketing auskommt. „Unser Marketing ist das Produkt“, sagt entsprechend Codega, der angibt, dafür „jährlich mehrere Millionen Euro allein in die Entwicklung neuer Produkte zu investieren.“
Der Verantwortung bewusst
„Hinter der Marke steckt definitiv viel mehr, als man so ahnt“, meint Alexandra Weis aus dem Vertriebsinnendienst von Fachhändler Höhenpass. „Hier geht es nicht allein um Profit, wird nicht direkt auf Umsatzzahlen reagiert, sondern C.A.M.P. bewahrt sich ganz offensichtlich seine Werte und man ist sich seitens der Unternehmensführung seiner Verantwortung bewusst.“
Und so resümiert Eddy Codega: „Wir haben in unserer Geschichte schon viele Hersteller kommen und gehen gesehen.“ Bei manchem kometenhaften Aufstieg hat man sich dann in Premana gefragt: „Was machen wir falsch? Was machen die besser, dass die so den Markt stürmen? Aber am Ende haben wir überlebt“, sieht er seine Überzeugung bestätigt, „dass wir im Gegensatz zu vielen anderen doch alles richtig gemacht haben.“ Und so glaubt man Eddy Codega sofort, wenn er sagt: „Ich bin der glücklichste Mensch der Welt. Ich lebe an einem schönen Ort, arbeite mit meiner Familie in einem erfolgreichen Familienunternehmen.“ Und da er die Liebe zum Klettern auch an seine Söhne weitergegeben hat, rückt bereits die 5. Generation der Unternehmerfamilie allmählich in das Geschäft nach. So kann man dem Bild, das C.A.M.P. auf seiner Webseite nutzt, nur zustimmen: „Aus dem Senfkorn – Nicola Codegas Werkstatt in den Straßen von Premana – ist ein großer Baum geworden.“
Von Camillo F. Kluge
C.A.M.P.
… ist ein Akronym und steht für vier Begriffe:
- Costruzione
- Articoli
- Montagna
- Premana
also Herstellung, Artikel, Berge, Premana.