Ein Kopfschutz ist auch für Industriekletterer und Höhenarbeiter ein wichtiger Bestandteil der PSA. Dabei spielt es nur eine kleine Rolle, dass ein Helm vor herabfallenden Gegenständen schützt, sondern der Schutz vor Anprallen und Anstoßen genießt hier eine hohe Bedeutung.
Quan Nguyen, verantwortlich für den Dienstleistungsbereich beim Fachhändler Höhenpass und selbst passionierter Kletterer, kennt sich da bestens aus.
Herr Nguyen, welche Bedingungen muss ein Helm für Industriekletterer zwingend erfüllen?
Quan Nguyen: Grundsätzlich hängt das von der Gefährdungsbeurteilung ab. Gemein ist den Helmen, dass sie über einen 3- oder 4-Punktriemen verfügen müssen. Dann kann je nach Gefährdung ein nach DIN EN 397 zugelassener Industrieschutzhelm genügen, die es auch mit zusätzlich durchgeführter seitlicher Stoßdämpfungs-Prüfung nach DIN EN 12492 oder DIN EN 14052 gibt. Alternativ sind je nach Gefährdung eben auch Bergsteigerhelme, die nur DIN EN 12492 geprüft sind, oder nach DIN EN 14052 zertifizierte Hochleistungs-Industrieschutzhelme der richtige Kopfschutz sein. Es ist eben stets situationsbedingt zu entscheiden.
Gibt es da denn große Unterschiede zwischen Bergsteiger- und Bauhelm?
Nguyen: Auf den ersten Blick nicht, denn es passiert sogar häufig, dass Leute den falschen Helm nutzen. Aber ein wesentlicher Unterschied zum Beispiel ist die Lüftung. Beim Bauhelm sind nicht mehr als 4,5 qcm Belüftungsöffnung erlaubt, damit die Gefahr, dass etwas durch den Lüftungsschlitz auf den Kopf trifft, reduziert ist. Nach der EN 12492 darf die Lüftungsfläche größer sein. Manche Hersteller bieten auch Hybridhelme an, die ein Öffnen der Lüftungsklappen ermöglichen, wenn der Helm in der Höhe eingesetzt wird. Mit offenen Klappen darf er aber nicht als Bauhelm genutzt werden.
Sicher nicht der einzige Unterschied, oder?
Nguyen: Nein, ein zweiter wesentlicher Unterschied ist die Haltekraft des Kinnriemens. Im Bergsport muss er mindestens 50 Kilogramm Zugkraft aushalten, damit er bei einem Sturz nicht vom Kopf gerissen wird. Bei Industriehelmen muss er sich bei 25 Kilogramm bereits öffnen, um eine mögliche Strangulation zu verhindern. Zudem muss ein Industrieschutzhelm zwischen Helmschale und Kopf mindestens 2,5 cm Luft haben und auch eine gewisse Widerstandsfähigkeit gegen Feuer von mindestens zehn Sekunden aufweisen.
Dennoch gibt es auch bei den einzelnen Kletterhelmen Unterschiede, oder?
Nguyen: Bedingung ist natürlich, dass die Normen erfüllt werden. Dann kommen andere Faktoren ins Spiel, ganz besonders das Thema Komfort. Da sollte man den Helm unbedingt vor dem Erwerb einmal ausprobieren, schließlich muss man den viele Stunden am Tag tragen. Da spielen dann viele Kleinigkeiten eine Rolle. Wenn jemand längere Haare hat beispielsweise, bekommt er den Dutt unter den Helm? Mittlerweile gibt es tatsächlich Helme, die eine entsprechende Aussparung haben.
Zum Komfort zählt aber weit mehr, Zubehör zum Beispiel oder auch Bequemlichkeit?
Nguyen: Ja klar, wenn man einen Helm einige Stunden trägt, machen sich ein paar hundert Gramm weniger auf dem Kopf schon bemerkbar. Auch ein Visier sollte direkt am Helm befestigt werden können, eine Schutzbrille könnte beispielsweise herunterfallen. Dabei finde ich es praktisch, wenn das Visier komplett hochgeklappt werden kann. Aber letztlich kommt es darauf an, wo gearbeitet wird. Wird Sonnenschutz für den Nacken benötigt, Gehörschutz oder ein Kommunikationssystem? Das sollte sich alles fest am Helm verbauen, aber auch abnehmen lassen, wenn man es nicht benötigt, eben um Gewicht zu sparen. Dabei ist der Nutzer nicht mehr immer Hersteller gebunden, teilweise nutzen die Helm-Hersteller gleiche Klicksysteme.
Licht ist auch noch ein Thema.
Nguyen: Ja, da gibt es entweder eine direkte Lampenhalterung oder aber die Variante mit Stirnband. Auch hier ist am Ende alles eine Frage des Gewichts. Wer eine Lampe am Helm benötigt, sollte eventuell darauf achten, dass beim Hochschieben des Visiers die Lampe nicht im Weg ist.
Was empfehlen Sie einem potentiellen Interessenten, bevor er sich einen Industriekletterhelm zulegt?
Nguyen: Schau Dir an, was auf dem Markt ist, schau, was Dir passt und was dann an Zubehör zusammenpasst und lass Dich im Zweifel fachlich beraten – gerne von uns bei Höhenpass.
Herr Nguyen, vielen Dank für das Gespräch.
Mit Quan Nguyen sprach
Camillo F. Kluge
Quan Nguyen
… leitet den Dienstleistungsbereich bei Höhenpass, einem Fachhändler für Absturzsicherung, Seilzugangstechnik, Industriekletterer und auch Bergsportler. Seine Aufgaben umfassen das gesamte Spektrum von Schulungen bis hin zu eigenen Industriekletterarbeiten. Wenn es die Zeit zulässt, ist er bei den Kletterarbeiten auch gerne noch einmal aktiv dabei.