Im betrieblichen Bereich ist das regelmäßige Überprüfung von Werkzeugen und Materialien eine Pflicht. So lässt sich das Unfallrisiko in Betrieben und auf Baustellen deutlich reduzieren. Bei manchen Arbeits- oder Hilfsmitteln ist eine regelmäßige Prüfung sogar rechtlich vorgegeben und muss von entsprechend geschulten Personen durchgeführt werden – so zum Beispiel auch für Leitern, Tritte und Fahrgerüste. Die Redaktion hat ein Seminar für befähigte Personen bei Hymer-Steigtechnik besucht.
Ein gutes Dutzend zu Schulender hat sich in dem Schulungsraum bei Hymer in Wangen/Allgäu an diesem Morgen eingefunden, um entweder erstmalig an einem „Seminar für befähigte Personen für Leitern, Tritte und Fahrgerüste auf Basis der BetrSichV, der TRBS und der DGUV-V“ teilzunehmen oder eine Auffrischungsschulung zu genießen. Auch wenn die Veranstaltung bei Hymer stattfindet und organisiert wurde, „die Schulung ist so neutral wie möglich“, betont Petra Liebsch. Die Ingenieurin agiert als Referentin und Seminarleitung und ist Expertin, wenn es um Leitern, Tritte, Fahrgerüste sowie Arbeitssicherheit geht. Die Aussage kam gut an im Plenum, zumal einer der Teilnehmer schon einmal an einem Seminar teilgenommen hatte, „das mehr einer Verkaufsveranstaltung ähnelte.“
Unfallzahlen deutlich gesunken
Gut 21000 Leiterunfälle gab es laut DGUV-Unfallstatistik allein im Jahr 2021 in Deutschland. Das ist immer noch eine sehr hohe Zahl, verglichen aber mit den über 40000 Unfällen, die Anfang des Jahrtausends noch jährlich gezählt wurden, sind die Unfallzahlen doch bereits deutlich gesunken. „Das belegt, dass wir hierzulande durch die Schulungen auf einem guten Weg sind“, so Liebsch. Die Inhalte der Schulungen sind auch nicht mit Herstellern abgesprochen, sondern beruhen auf rechtlichen Vorgaben aus der BetrSichV und deren Technischen Regeln (hier insbesondere der TRBS 2121-2 – Leitern) und Erfahrungen der Berufsgenossenschaften / DGUV. Praxisnah vermittelt werden sie durch den Erfahrungsschatz des jeweiligen Referenten, was für die Akzeptanz eines solchen Seminares besonders wichtig ist. Das Seminar beinhaltet nicht allein rechtliche Grundlagen und Informationen zu Leiterbauarten und deren Vor- und Nachteile für bestimmte Tätigkeiten, sondern Petra Liebsch hat auch einige wichtige Hinweise für die Nutzung der Geräte parat, zum Beispiel die „Drei-Punkt-Regel“ beim Gebrauch von Leitern. „Das ist eine Grundregel. Sie besagt, dass beide Füße und der Körper, bzw. Körperteile an der Leiter anliegen oder beide Füße und eine Hand dort Halt haben“, erklärt sie. Beim Besteigen sind dies dann zwei Hände und ein Fuß – eben immer drei Punkte. „Daher müssen für einen sicheren Stand bei Tätigkeiten auf der Stehleiter z. B. stets die beiden obersten Stufen freibleiben, damit diese dem Körper Halt geben können.“ Bei einer Anlegeleiter sind es sogar die oberen drei, bei einer Stehleiter mit aufgesetztem Schiebeteil (Mehrzweckleiter) gar die obersten vier Stufen, die frei bleiben müssen. „Ich muss als Anwender das Möglichste tun, damit die Arbeitssicherheit gewährleistet ist“, nennt sie eine weitere Grundregel.
Prüfung in drei Schritten
Anhand einer Gefährdungsbeurteilung muss für die jeweilige Arbeitsaufgabe geklärt werden, welches das geeignete Arbeitsmittel ist. Nicht jede Leiter und jedes Fahrgerüst darf beliebig eingesetzt werden. „Für Feuerwehren kommen aufgrund besonderer Anforderungen Sonderlösungen speziell für deren Tätigkeiten zum Einsatz“, betont Petra Liebsch, für Gebäudereiniger gibt es eigens für die Reinigung von Glasflächen entwickelte „Glasreinigerleitern“. Dies sind nur einige Beispiele.
Liebsch empfiehlt, die Durchführung der wiederkehrenden Überprüfungen gut zu strukturieren und diese in drei Schritten durchzuführen. Im ersten ist eine Bestandsaufnahme durchzuführen. Ist das zu kontrollierende Arbeitsmittel bereits in der Inventarliste geführt? Wenn nicht, ist es dort einzutragen und mit einer Inventarnummer zu kennzeichnen. Im zweiten Schritt erfolgt eine Sicht- und Funktionsprüfung anhand einer Checkliste. Im finalen Schritt ist die Prüfung zu dokumentieren, „in Papierform, digital oder ganz bequem per App“, so Liebsch. Wichtig ist das finale Prüfsiegel, dass der eindeutig identifizierbaren Leiter aufzukleben ist. Denn „eine Leiter, ein Tritt oder ein Fahrgerüst ohne Prüfsiegel darf nicht verwendet werden.“ So kann der Anwender leicht erkennen, dass er ein regelmäßig überwachtes und geprüftes Arbeitsmittel verwendet.
Nur sichere Arbeitsmittel verwenden
Deutlich machte Liebsch auch, dass die Aufgaben einer befähigten Person in erster Linie das Prüfen betreffen. Unterweisungen oder gar Reparaturen zählen da zunächst nicht zu. „Das ist aber auch abhängig von der Aufgabenbeschreibung und gehört dann auch in die Personalakte“, so Liebsch.
In erster Linie gehe es darum, nur sichere und dem Stand der Technik entsprechende Arbeitsmittel zu verwenden. Zur Unfallvermeidung dürfen keinesfalls beschädigte Arbeitsmittel eingesetzt werden. „Prävention heißt, Schäden rechtzeitig zu erkennen und Maßnahmen wie z. B. eine Reparatur oder die Entsorgung zu ergreifen“, sagt Liebsch.
Umfangreich war schließlich der praktische Teil, an dem die Teilnehmer an vielen Leitern, Tritten und auch Fahrgerüsten zu prüfen hatten, ob diese problemlos nutzbar sind, repariert oder gar entsorgt werden müssen. „Dieses Seminar gibt mir die Sicherheit, das richtige zu tun“, sagt Michael Gräff, der für eine 23 Häuser umfassende Kette von Senioreneinrichtungen als Haustechniker auch für die Arbeitssicherheit zuständig ist. Da sind es gut 40 Leitern, die er regelmäßig zu prüfen hat. Insofern „sollte man solch eine Schulung schon regelmäßig besuchen“, lautet seine Meinung.
von Camillo F. Kluge