Vor einigen Jahren untersuchte eine Fachgruppe montierte Absturzsicherungen mit einem erschreckenden Ergebnis: Nicht nur, das acht von zehn der Sicherungen als fehlerhaft montiert eingestuft wurden, jeder achte Anschlagpunkt hätte im Falle eines Sturzes komplett versagt. Für die Anwender bedeutet das höchste Lebensgefahr, für die Verantwortlichen erhebliche Haftungsrisiken. Worauf es bei der der Überprüfung der Montage ankommt, beschreibt der Fachbeitrag von Tanja Roth.
Regelmäßige Prüfungen durch Sachkundige sind in aller Interesse und sorgen für die erforderliche Sicherheit – zumindest sofern sie sorgfältig durchgeführt werden. Genau hier liegt aber der sprichwörtliche Hund begraben: Ist die Lesart der DGUV-Vorgaben als Legitimation für den Verzicht auf Probeöffnungen hinreichend und genügen andere Prüfmethoden wie RTS-Proben, um Anwendern und Betreibern wirkliche Sicherheit zu vermitteln? Die klare Antwort lautet: Nein.
Unterschied zwischen „sicher“ und „vermeintlich sicher“
Oft sind es gerade Probeöffnungen, die in der Prüfung in entscheidendem Maß Aufschluss über den Zustand der Komponenten und mögliche Montagefehler geben – und somit den Unterschied zwischen „sicher“ und „vermeintlich sicher“ ausmachen. Ein wesentlicher Schlüssel zum Verständnis dazu liegt wohl im Unterschied zwischen Theorie und Praxis:
In der Theorie werden Sekuranten und andere Einrichtungen zur Absturzsicherung stets gemäß Herstellervorgaben montiert und gewartet. In der Praxis hingegen lehrt die Erfahrung, dass Absturzsicherungen erschreckend oft eben nicht nach Herstellervorgaben installiert werden. Die Zulassung erlischt dadurch, die gewünschte Sicherheit ist nicht mehr gegeben.
Die Liste beobachtbarer Mängel ist lang, und allen sind zwei Dinge gemein: Für Anwender besteht im Fall eines Sturzes Lebensgefahr. Und: Ohne die Überprüfung der Befestigung im Untergrund bleiben sie häufig unentdeckt.
Die DGUV ist klar und präzise in der Vorgehensweise zur Prüfung von Anschlagseinrichtungen (AE) durch einen Sachkundigen (DGUV Information 201-056, aktualisierte Fassung vom August 2015). Fehlt eine vollständige Dokumentation, sind zwei Möglichkeiten vorgesehen: Falls keine Angaben zu Hersteller und Typ der verwendeten AE und Befestigungsmittel vorliegen, muss die Absturzsicherung durch ein neues System ersetzt werden. Sofern jedoch Angaben zu Hersteller und Typ vorliegen, sind diese AE nach Herstellerangaben zu prüfen. Hierbei wird klar unterschieden zwischen Fällen, in denen die Befestigung einsehbar ist und solchen, in denen sie nicht einsehbar ist.
Nicht jeder Hersteller gestattet Zugproben
„Die DGUV schreibt keine Probeöffnungen vor“, heißt es häufig aus unterschiedlicher Richtung. Doch das ist deutlich zu kurz gegriffen: Aus den Vorgaben zur Vorgehensweise lässt sich weder eine Vorschrift noch eine Legitimation ableiten, und auch die genannten Prüfmethoden sind nur beispielhafte Nennungen einer nicht abschließenden Liste. Entscheidend sind also immer und ausnahmslos die Angaben der AE-Hersteller.
Hier wiederum ist fundierte Kenntnis der verschiedensten Produkte, ihrer Montagearten und der jeweils geltenden Prüfvorgaben gefordert: Zugproben dürfen beispielsweise nicht bei jedem Hersteller gemacht werden, einige Hersteller verbieten den Einsatz solcher Prüfmethoden sogar ausdrücklich. Manche Hersteller geben für ausgewählte AE an, dass im Rahmen der Prüfung Probeöffnungen vorzunehmen sind, und zwar mit Stichprobengrößen von bis zu 20 – 30 Prozent der installierten AE.
Damit wird klar: Erstens muss ein Prüfer fundierte Kenntnisse über unterschiedlichste Produkte haben. Und zweitens erlauben nur Probeöffnungen oder die Ansicht von unten eine eingehende Prüfung der ansonsten verborgenen Komponenten und eine Bewertung der Ausführungsqualität der Installationen. Dazu kommt, dass Probeöffnungen die AE nicht belasten, wohingegen Zug- und Belastungsproben bei einigen Produkten zum Erlöschen der Zulassung führen können.
Hohe Risiken bei unentdeckten Mängeln
Sicherheit auf dem Dach ist alternativlos. Prüfer sollten daher lieber eine Probeöffnung mehr vornehmen als eine zu wenig: Zu wichtig ist die Sicherheit, zu hoch die Risiken für Anwender und Betreiber bei unentdeckten Mängeln. Probeöffnungen und die anschließende Dachschließung sind für Fachbetriebe mit Kompetenz in mehreren Gewerken problemlos in einem Arbeitsgang möglich.
Das Unternehmen Roth Absturzsicherung hat noch keine Situation erlebt, in der sich ein Auftraggeber gegen Probeöffnungen entschieden hat. Im Gegenteil: Preiswertere Varianten ohne Probeöffnungen, die nur vermeintliche Sicherheit liefern, sind den Kunden angesichts des Restrisikos einfach zu teuer. Der entscheidende Faktor ist die Aufklärung und Information. Je besser es allen in der Beratung gelingt, den Auftraggebern Verständnis für dieses Themenfeld zu vermitteln, desto besser werden alle ihrer Rolle als sachkundige Prüfer gerecht. So lässt sich eine Basis für echte Sicherheit auf dem Dach schaffen.
Tanja Roth
TANJA ROTH
… ist Assistentin der Geschäftsleitung sowie NLP Master Coach bei Roth Absturzsicherung, ihr Mann Hubert (r.) leitet das Unternehmen. Seit 2015 kümmert sich Tanja Roth (l.) um Organisation sowie Konzeption von Schulungsmodulen und ist Ansprechpartnerin für Kunden im Bereich Wartung und Vertrieb.