Ein alles andere als alltägliches Foto-Shooting begleitete Sebastian Straub, Teamleiter Marketing Professional bei Edelrid. Location war das „Tropical Island“ vor den Toren Berlins. In diesem Beitrag schildert er das Erlebnis aus seiner ganz persönlichen Sicht.
Langsam steige ich höher, setze einen Fuß vor den anderen. Gleichzeitig schiebe ich meinen Läufer mit der Hand auf dem Drahtseil weiter. Ich blicke nach unten. Wir habe gerade mal die ersten Meter hinter uns gebracht und ich bin bereits vollkommen außer Atem. Die warmen Temperaturen und die hohe Luftfeuchtigkeit machen mir zu schaffen. So langsam beginne ich zu verstehen, was es bedeutet, hier als Höhenarbeiter tagtäglich seinem Job nachzugehen.
Plattform unter der Kuppel
Vor mir steigen Lisa, Klaus und Sven scheinbar mühelos nach oben. Ich bemühe mich Schritt zu halten, um den Anschluss nicht zu verlieren. Unser Ziel ist die Plattform unter der Kuppel der Anlage. Unter uns eine surreale Badelandschaft aus kleinen Inseln, Pools, Palmen und Restaurants. Die vielen Badegäste sehen von hier oben aus wie kleine Ameisen. Sie haben keine Ahnung was sich gerade hoch oben über ihren Köpfen abspielt. Ab und zu dringt gedämpftes Stimmengewirr zu uns. Ansonsten ist es hier oben absolut ruhig.
Wir befinden uns im Tropical Island, Europas größter tropischer Urlaubswelt. Seit der Eröffnung im Dezember 2004 finden Gäste hier ein wetterunabhängiges Urlaubsparadies auf rund 66.000 Quadratmetern. Die Anlage ist gigantisch. Das ursprünglich geplante Konzept der im Jahr 2000 fertiggestellten Cargolifter-Werfthalle war eine wettergeschützte Unterbringung großer Luftschiffe. Nachdem das Konzept der Cargolifter-Werfthalle gescheitert war, wurde nach einer neuen Verwendung gesucht. Die malaysische Unternehmensgruppe Tanjong hatte schließlich die Idee einer Umgestaltung zu einer Freizeitanlage mit tropischem Flair und erwarb 2003 die nicht mehr genutzte Cargolifter-Werfthalle. Es folgten einige Umbau- und Modernisierungsmaßnahmen. Seit 2019 gehört Tropical Islands zur spanischen Parques Reunidos Group mit Sitz in Madrid, Spanien. Zu den Hauptattraktionen gehören u.a. der größte Indoor-Regenwald der Welt, die „Südsee“ und die „Lagune“ sowie ein tropisches Dorf.
Tropical Islands
Mit einer Länge von 360 Metern, einer Breite von 210 Metern und einer Höhe von 107 Metern ist die ehemalige Cargolifter-Werfthalle die größte freitragende Halle der Welt. Die Halle befindet sich auf dem ehemaligen Flugplatz Brand ca. 60 Kilometer südlich von Berlin. Die Maximalauslastung im Betrieb liegt bei 6.000 Besuchern pro Tag. Im Jahr besuchen rund 1,2 Millionen Menschen das Ressort. Rund 550 Personen sind im Tropical Islands fest angestellt.
Alle FISAT-zertifizierte Höhenarbeiter
Wir – das sind ein kleines Produktions-Team aus Filmer, Fotograf, Models und mir als Marketingbeauftragter der Firma Edelrid. Wir alle sind FISAT-zertifizierte Höhenarbeiter, die Grundvoraussetzung dafür, dass wir uns hier uns hier oben im absturzgefährdeten Bereich bewegen dürfen. Unser Ziel ist es, eindrucksvolle Bild- und Videoaufnahmen für die neue Imagekampagne von Edelrid einzufangen. Im Detail geht es uns um authentische Bilder und Videoaufnahmen aus dem Bereich der Seilzugangstechnik. Hierzu gehört u. a. das Abhängen von Traversen oder Plakaten, Reparaturen der Außenhaut und natürlich Korrosionsschutz.
„Wir haben alles im Kasten. Ihr könnt runterkommen“, tönt aus dem Lautsprecher meines Walkie-Talkies. „Alles klar, bin auf dem Weg“. Ich lege das Tragseil in mein Abseilgerät, setze das mitlaufende Auffanggerät auf das Sicherungsseil und löse meine Selbstsicherung. Langsam geht es in die Tiefe. Unter mir das Blau der Lagune. Lisa und Sven sind bereits unten und ziehen mich die letzten Meter an den Strand. Geschafft!
Klaus kommt um die Ecke, die Kamera mit dem großen Teleobjektiv um den Hals hängend. An seinem Gesichtsausdruck sehe ich, dass er mit dem Ergebnis zufrieden ist. „Wenn wir den Sonnenuntergang noch einfangen wollen, sollten wir uns beeilen! In einer Stunde geht die Sonne unter und wir müssen noch die Abseilstrecken einrichten.“ Der sonst so ruhige Fotograf mahnt zur Eile.
Erleben einzigartiger Momente
Nach einer kurzen Trinkpause befinden wir uns schon wieder im Aufstieg. Oben angekommen öffne ich die schwere Luke, die uns aufs Dach der Anlage bringt. Ein kalter Wind schlägt mir entgegen. Sofort beschlägt meine Brille und ich bin praktisch blind. Nach einer kurzen Verschnaufpause, in der wir den Blick von hoch oben genießen, klippen wir unsere Falldämpfer ins Drahtseil. So gesichert laufen wir zum Rand der gigantischen Kuppel. Lisa und Sven beginnen sofort damit, die Abseilstrecken einzurichten. Unsere 200 Meter Seile reichen knapp bis zum Boden. Sven und Lisa machen den Anfang. Dicht gefolgt von Klaus, den Finger immer am Auslöser der Kamera, um jede Bewegung der beiden einzufangen. Langsam seilt sich die Gruppe am Rand der Kuppel ab und verschwindet schließlich aus meinem Blickfeld.
Auf einmal bin ich allein. Ein Gefühl von Wehmut überkommt mich. Ein letztes Mal lasse ich den Blick schweifen. Unter mir die weiten Waldlandschaften Brandenburgs. Bodennebel zieht auf. Am Horizont produzieren ein paar Windräder Strom für die Energiewende. Hinter mir geht die Sonne langsam unter und taucht die Szenerie in ein goldgelbes Licht. Ich sauge die kalte Luft ein mit dem Wissen, dass ich gerade einen einzigartigen Moment erlebe. Das sind die Momente, die ich an meinem Job so liebe, die ihn so einzigartig machen. Das ist meine vertikale Freiheit.
Es ist Zeit. Ich lege das Tragseil in mein Abseilgerät, setze das mitlaufende Auffanggerät auf das Sicherungsseil und löse meine Selbstsicherung. Langsam geht es wieder in die Tiefe.
Recyceltes Kletterseil bereits prämiert
Ein Kletterseil, das zuverlässig seine Aufgaben erfüllt, dennoch zur Hälfte aus recycelten Seilen besteht, hat der Allgäuer Seilhersteller Edelrid entwickelt. Das Kletterseil „Neo 3R 9,8 mm“ wurde bereits mit dem Bundespreis Ecodesign prämiert.
„Bei der Produktion entstehen unweigerlich viele Seilreste, da nur die Seile in Umlauf kommen, die unsere hohen Qualitätsanforderungen entsprechen“, erklärt Philippe Westenberger, Produktmanager bei Edelrid. „Unser Ziel war es, diese Seilreste – pro Jahr sind es mehrere Tonnen – über ein Recyclingverfahren wieder dem Produktionskreislauf zuzuführen.“
In einem mehrstufigen Prozess wird das Ausgangsmaterial zermahlen und zu Agglomerat und Granulat verarbeitet. Im Vergleich zu Spritzgussmaterial, das einfach herzustellen ist, besteht die Herausforderung darin, spinnbares Material zu erhalten, aus dem hochfeste Garne produziert werden können. Zudem müssen diese Hochleistungsgarne mit anderem Recycling- und Neumaterial harmonieren. Nur so kann gewährleistet werden, dass die hohen Anforderungen an Festigkeit, Dehnung etc. erfüllt werden. Auch die Maschinen sowie der komplette Herstellungsprozess müssen für ein solches Seil modifiziert werden.
Hohe Qualitätsanforderungen bei PSA
Produkte aus recycelten Materialien sind heute in vielen Bereichen des täglichen Lebens bekannt. Bei Kletterseilen ist dieser Prozess ungleich schwerer. In aller Regel führt der Prozess des Recycelns zu einem minderwertigeren Material. Bisher war es technisch nicht machbar, aus diesem Material Seile herzustellen, die den hohen Sicherheits-Anforderungen nach EN 892 entsprechen. Nach sechs Jahren intensiver Forschung in Zusammenarbeit mit verschiedenen Instituten und staatlichen Förderprogrammen ist es Edelrid gelungen, eine Methode zur Herstellung vollwertig zertifizierter Seile nach EN 892/ UIAA aus wiederverwendeten Pre-Consumer-Seilen zu entwickeln. So werden die in der Produktion anfallenden Seilreste direkt wieder dem Produktionskreislauf zugeführt und somit Ressourcen geschont.