Manche Menschen müssen beruflich hoch hinaus, etwa um Funktürme zu warten oder Windräder aufzubauen. Ihre Arbeitsplätze zählen aufgrund der Absturzgefährdung zu den gefährlichsten. Wegen ihrer exponierten Lage bedarf es hier besonderer baulicher und organisatorischer Maßnahmen sowie geeigneter Persönlicher Schutzausrüstung gegen Absturz. Zudem ist ein erprobtes und trainiertes Sicherheitskonzept erforderlich. Reinhold Lämmermann, Sicherheitsfachkraft bei BAD Gesundheitsvor-sorge und Sicherheitstechnik, erklärt, was bei Höhenrettung zu beachten ist und wo die besonderen Herausforderungen liegen.
Reinhold Lämmermann ist auf Schulungen und Trainings in der Höhenrettung spezialisiert. Seit 1996 bildet er Mitarbeiter aus, früher im Auftrag der Deutschen Telekom. „Es ist doch klar: Für Arbeiten in der Höhe – egal ob auf Dächern, im Hochregallager, auf Windenergieanlagen oder Stahlgittermasten der Energieversorger – ist die Sicherheit genauso sicherzustellen wie etwa bei der Büroarbeit“, erklärt Lämmermann. Denn hier kann ein kleiner Fehltritt schon fatale Folgen haben. 717 tödliche Arbeitsunfälle durch Absturz wurden der Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin (BAuA) zwischen 2009 und 2023 insgesamt gemeldet.
Arbeit in der Höhe nimmt zu
Nicht zuletzt die zunehmende Zahl an Windrädern und Antennenträgern in der Landschaft macht deutlich: Die Arbeit in der Höhe nimmt zu. Umso wichtiger, auch die Menschen gut zu schulen, die in schwindelerregender Höhe arbeiten. Dazu gehört auch, Vorsorge für den Notfall zu treffen und eine mögliche Rettung von Verletzten an schwer zugänglichen Orten sicherzustellen.
Für das Arbeiten in der Höhe gelten eine Reihe gesetzlicher Vorschriften und Verordnungen, die Technischen Regeln für Arbeitsstätten sowie die Berufsgenossenschaftlichen Regeln und Normen. Für Arbeiten mit höhenbedingten Gefährdungen gilt: Der Einsatz der Persönlichen Schutzausrüstung gegen Absturz (PSAgA) und die Vorhaltung von Rettungsausrüstung erfordert eine jährliche theoretische und praktische Unterweisung. Die eintägige Rettungsübung nach DGUV Vorschrift 1 §31 muss sowohl theoretische Inhalte, Neuerungen als auch praktische Übungen im Umgang mit PSAgA und Rettungssystematik umfassen.
Dazu ist natürlich auch eine Gefährdungsbeurteilung zu erstellen. Die Zahlen belegen, dass diese Pflicht häufig vernachlässigt wird. Laut BauA lag bei knapp einem Viertel der tödlichen Absturzunfälle seit 2009 keine aktuelle und vollständige Gefährdungsbeurteilung vor. In über 70 Prozent der Fälle wurde gegen sicherheitstechnische Vorschriften verstoßen. Hier appelliert der Experte an die Unternehmen, ihrer Verantwortung nachzukommen. „Denn viele Unfälle ließen sich verhindern und im besten Fall ist eine Rettung gar nicht nötig.“
Sicherheit beginnt beim Bau der Anlage
Die Sicherheit fängt bereits beim Bau der Anlage an: Je nach Art und Gegebenheit der Arbeitsplätze sind geeignete bauliche Maßnahmen vorzusehen, damit die Mitarbeitenden den Arbeitsbereich sicher erreichen können. Das gilt auch für Arbeitsplätze, Verkehrswege (Steigwege) und Arbeitsbereiche (Plattformen) an Antennenträgern und Funktürmen. „Und das gilt für den Aufenthalt auf Maschinen in sechs Metern Höhe genauso wie auf einem 150 Meter hohen Fernmeldeturm der Mobilfunk- und Nachrichtentechnik“, erklärt der Höhenexperte.
Daneben müssen etwa für Stahlgittermasten der Energieversorger, Türme der Mobilfunk- und Nachrichtentechnik oder digitale Fernseh- und Radiosender die Gefahrenbereiche der elektromagnetischen Felder ermittelt und gekennzeichnet werden. Neben den objektspezifischen Flucht- und Rettungsmöglichkeiten sind die Besonderheiten eines jeden Objekts, das Rettungskonzept sowie die jeweiligen technischen, organisatorischen und personellen Voraussetzungen in der Gefährdungsbeurteilung abzubilden. Dort, wo bauliche Maßnahmen an einer möglichen Absturzstelle nicht möglich sind (etwa an Brüstungen, Attiken oder Geländern), muss die Sicherheit durch organisatorische Maßnahmen garantiert werden. Wenn möglich, sollte der Arbeitsplatz abseits von Absturzgefahren errichtet werden.
Spezielles Rettungskonzept
Für die Erste Hilfe braucht es bei exponierten Arbeitsplätzen ein spezielles Rettungskonzept. Der Arbeitgeber muss ein Sicherheitskonzept entwickeln, in dem alle wichtigen Punkte wie Anzahl, Qualifikation und Ausrüstung der Mitarbeitenden festgelegt sind, um eine Personenrettung durchführen zu können. Dabei unterscheidet sich die Rettung je nachdem, auf welcher Höhe sich der Erkrankte oder Verletzte befindet. Meist muss der Rettende zunächst nach unten, mobiles Rettungsgerät holen und einen Notruf absetzen. Dann wieder zum Verletzten aufsteigen und mithilfe des Rettungsgeräts gemeinsam mit ihm absteigen, Erste Hilfe-Maßnahmen durchführen und auf den Rettungsdienst warten.
Bei Arbeiten mit Absturzgefährdung sind immer ausreichend Mitarbeitende notwendig, um eine eventuelle Rettung durchführen zu können. Auch bei einem Absturz über der Plattformkante gilt mindestens die Drei-Personen-Regel. Hier müssen die Rettenden die im Auffanggurt hängende Person mit einem Rettungsseil abseilen. Hängt der Verletzte im Gitterfachwerk, ist eine Rettung besonders schwierig. Hier müssen Ausbildung und Training alle Gegebenheiten für den Arbeitsbereich der Mitarbeiter abdecken und Lösungen im Rettungskonzept vorgesehen sein.
Aufgrund der Vielzahl an unterschiedlichen Bauwerken gibt es keine allgemein gültige Vorgehensweise. Besteht der Verdacht einer Rücken- oder Wirbelsäulenverletzung, ist eine besonders schonende Rettung etwa mit Rettungswanne nötig. Unter Umständen kann ein Rettungshubschrauber zum Einsatz kommen. Auch hierauf müssen die Mitarbeiter im Notfall vorbereitet sein, um die Rettungskräfte optimal unterstützen zu können.
Bei besonderer baulicher Enge des Arbeitsbereichs müssen die Rettungsabläufe ebenfalls im Konzept festgelegt sein und geschult werden. Die Beschäftigten, die mit Arbeiten mit Absturzgefährdung betraut werden, müssen nicht nur die körperlichen Voraussetzungen für eine Rettung erfüllen, sondern auch sämtliche denkbaren Rettungssituationen beherrschen.
Die Aus- und Fortbildung nimmt einen fundamentalen Platz im Rettungskonzept ein. Bei den Seminarinhalten ist jede erdenkliche Erste Hilfe, Arbeits- und Rettungssituation sowie die normgerechte und von den Herstellern vorgegebene Anwendung mit der Persönlichen Schutzausrüstung zu beachten. Dafür braucht es besonders qualifizierte Ausbilder/Trainer. BAD hat eigenen Angaben zufolge als einziger Anbieter in Deutschland mehr als 40 sogenannte ASiR-Steigeberechtigte und mehr als 30 ASiR-Trainer im Kundeneinsatz und vermittelt in einem Grundlehrgang „Sicheres Arbeiten an hochgelegenen Arbeitsplätzen“ Themen wie richtiges Anseilen und Steigen, Funktion und Wirkungsweise von Sicherheitseinrichtungen oder Rettung Abgestürzter aus großen Höhen.
Reinhold
Lämmermann
… ist Fachkraft für Arbeitssicherheit.