Das Zentrum für Sicherheit und Ausbildung (ZSA) der Bergwacht Bayern in Bad Tölz war jüngst Austragungsort eines ganz besonderen Wettbewerbs: Zehn Teams aus ganz Deutschland traten beim Petzl Rope Trip in der Deutschland-Qualifikation an, um sich für den internationalen Wettbewerb Ende September in Singapur zu qualifizieren.
Drei Einzel- und eine Mannschaftsstation hatten sämtliche Teams bei dieser inoffiziellen deutschen Meisterschaft der Seilzugangstechniker zu bewältigen. Ein Seilparcours war möglichst schnell, aber unter Berücksichtigung sämtlicher Sicherheitsvorschriften zu bewältigen, am anderen ein gefüllter Wassereimer kletternd mit möglichst wenig Verlust über einen weiteren Seilparcours zu transportieren.
In einem Seilwirrwarr frei pendelnd galt es an der dritten Einzelstation zwei schwere Eisenrohre ordnungsgemäß miteinander zu verbinden und schließlich sorgfältig punktgenau abzusetzen. Im Team mussten schließlich die zusammengefügten Eisenrohre, die locker 80 Kilogramm auf die Waage brachten, zunächst aus einer blockierten Position befreit werden, anschließend über zwei Stationen über diverse Höhenmeter transportiert werden – ein dreidimensionales Verbringen einer Last mit viel Körperkraft und improvisiertem Flaschenzugsystem.
Ansprechpartner vor Ort
Letztlich waren die Aufgaben, mit denen Petzl die Teilnehmer gewaltig forderte, an den Berufsalltag professioneller Kletterer angelehnt. „Wir versuchen die Aufgaben aus dem Alltag einfach in einem sportlichen Wettbewerb zu verpacken. Industriekletterer müssen körperlich fit sein und viele Kenntnisse und Fertigkeiten haben, um in der Vertikalen und in großer Höhe sicher arbeiten zu können“, sagte Christoph Driever, Country Manager Deutschland bei Petzl. Er selbst ist begeisterter Sportkletterer und begrüßt es, durch die Niederlassung in Deutschland, deutlicher näher an Kunden und Verbraucher zu sein. „Unsere Produkte sind sehr technisch, haben einen gewissen Erklärungsbedarf, da wollen wir als Ansprechpartner einfach vor Ort sein.“ Doch nicht allein der sportliche Wettbewerb stand beim Rope Trip-Entscheid in der gigantischen 20 Meter hohen Halle im Mittelpunkt. „Hier werden Netzwerke geknüpft, ausgebaut und gefestigt“, sagte Marek Proba, Leiter des Petzl Technical Instituts (PTI), der sich selbst mit „ich bin der Techniker und Praktiker im Team“ betitelte. „Die Teilnehmer sind alle mit einer unglaublich hohen Affinität in ihrem Beruf im Einsatz und wollen natürlich auch viel Feedback bekommen.“ Zudem tauscht man sich untereinander auch aus, es gibt Optimierungstipps oder auch einfach nur Bestätigung.
Atemberaubende Leisungen
Es waren auch einige Zuschauer bei der Veranstaltung, vorrangig Angehörige der Teilnehmer und dem Klettern verbundene Neugierige. Die bekamen teils atemberaubende Leistungen geboten. Insbesondere bei dem auf Tempo ausgelegten Seilparcours gab es beeindruckende Leistungen zu bestaunen. Allein in welchem Tempo manche Teilnehmer es schafften, die ersten in die Höhe führenden etwa 30 Meter im Bärenhang zu bewältigen, nötigte Respekt ab. Hier war durch die Zeit am Ende für jeden Zuschauer eindrucksvoll zu sehen, wie gewaltig die Unterschiede der einzelnen Teilnehmer waren. Gelang es doch einigen, den Parcours deutlich unter zehn Minuten zu meistern, benötigten doch ein paar Kletterer tatsächlich deutlich über 30 Minuten. Was hier natürlich eine Topplatzierung schnell zunichte machte, ist im Berufsalltag weit weniger tragisch, denn da zählt weniger die Geschwindigkeit sondern akkurates und vor allem fehlerfreies Arbeiten. Kein Wunder also, dass Seilzugangstechniker mittlerweile auch ein Ausbildungsberuf ist, nicht zuletzt dank des Engagements des vor 25 Jahren gegründeten Fach- und Interessenverbandes für seilunterstützte Tätigkeiten (FISAT). „Es gibt noch viel Potential für seilgesicherte Tätigkeiten, das muss sich noch mehr durchsetzen“, lautet Christoph Drievers Überzeugung.
Jede Disziplin gewonnen
Aus sportlichen Gründen war Sven Drangeid, Leiter der FISAT-Geschäftsstelle in Leipzig, vor Ort. Er ergänzte das Team der „Rope Shepherds II“ aus Berlin, das mit einem gewaltigen Vorsprung in Bad Tölz siegte und nun vom 28. September bis 2. Oktober zur internationalen Endrunde nach Singapur darf. „Es lief ganz gut für uns“, übte sich Drangeid im Understatement. Gemeinsam mit Nils Henneken und Markus Wich setzten sie sich nicht nur als Gesamtsieger durch, sondern entschieden in der Summe auch jede Disziplin für sich.
Und trotz des souveränen Erfolges gestand Henneken, der als zertifizierter Trainer für Seilzugangstechnik seine Brötchen verdient: „Wir lernen auch immer noch einiges dazu.“ Während die „Rope Shepherds“ bereits erfahrene Teilnehmer an den Petzl Rope Trips sind, war das Team Düsseldorf, das sich aus Höhenrettern der Düsseldorfer Feuerwehr zusammensetzte, erst zum zweiten Mal am Start. „Für uns ist wichtig, dass sich keiner verletzt. Dann gibt es viele Kleinigkeiten, auf die wir achten müssen, für uns ist das mehr ein Fortbilden und Lernen hier“, sagte Kamerad Jörg Janssen.
Handwerkliches Geschick nötig
Auch ein reines Frauen-Team war am Start, alle drei aber professionelle Industriekletterer. Die Damen, die einen ordentlichen sechsten Rang unter den zehn Teams belegten, „werden für alles mögliche gerufen. Das beginnt bei Wartungsarbeiten an Windkrafträdern und endet beim Reinigen schwer zugänglicher Stellen“, sagte Katrin Dendorfer, die das Frauen-Team „Yes Ma`am“ betreute. „Ein wenig handwerkliches Geschick oder auch technisches Verständnis ist für den Beruf allerdings auch nötig.“ „Dieser Wettkampf ist eine tolle Gelegenheit zum Erfahrungsaustausch“, freute sich abschließend Peter Gruber vom Team „Aubinger Seilbuaben“. „Man beobachtet die anderen Teams beim Lösen der Aufgaben und kann sich dabei sehr viel für die tägliche Arbeit abschauen“, so Gruber weiter. Robert Amling vom Team „Abfahrt“ aus Hermsdorf konnte nur beipflichten: „Für uns ist das hier wie ein Familientreffen, weil wir Industriekletterer aus Deutschland einfach gut vernetzt sind.“