Keinen leichten Start hatte die Vertical Pro. Dennoch waren sowohl der Veranstalter des neuen Messe-Events sowie auch nahezu alle der 141 gemeldeten Aussteller aus 23 Nationen zufrieden. Den hohen Infektionszahlen trotzten zwar nur gut 1500 Besucher, doch „wir sahen hier eigentlich nur Fachpublikum“, gab beispielsweise Christian Kruck, Technical Sales DMM International, zu Protokoll.
Als Treffpunkt zum Informieren, Austauschen und Netzwerken für alle, die sich professionell in der Höhe aufhalten, ist die Vertical Pro konzipiert. Präsentiert wurde von der Seilklemme über den Arbeitsgurt bis hin zur Software für Boulderhallenbuchungssysteme eine umfangreiche Bandbreite aus der Kletter- und Arbeitssicherheitsbranche. Wobei zumindest was die Arbeitssicherheit betrifft, noch deutlich Luft nach oben ist, was die Menge der Aussteller und auch das Angebot betrifft. Allerdings dürfte neben der Pandemie sicher auch die gerade erst beendete A+A Aussteller und Fachpublikum – zumindest aus dem Bereich Arbeitsschutz – von der Premiere der Messe ferngehalten haben.
Sport- und Freizeitsektor
In einer Halle lag der Fokus klar auf dem Freizeitsektor. Angefangen von Herstellern rund um Kletterhallen und -wände, Stände mit Kletterbekleidung, vor allem Schuhen, oder Anbieter automatischer Sicherungen waren zahlreich vertreten. Für die Action sorgte nicht zuletzt ein kleiner „Ninja“-Parcours, wie man ihn in groß regelmäßig im Fernsehen bewundern kann, und an dem einige Profis zeigten, was mit Kraft, Körperbeherrschung und guter Koordination alles möglich ist. Vereinzelt fanden sich auch in dieser Halle Anbieter, die Produkte im Bereich Arbeitsschutz präsentierten, wie beispielsweise das Tschechische Unternehmen Ocun.
Ergänzt wurde das Ausstellerprogramm mit einer ganzen Reihe von Vorträgen, Vorführungen und Podiumsdiskussionen. So präsentierte Petzl seinen Live-Test an einer mobilen Zug- und Zerreißmaschine, es wurde über Einbauhöhen und Effizienz als Einflussfaktoren in Flaschenzügen referiert oder die Seilklettertechnik SKT in der Baumpflege vorgestellt. Sven Drangeid, Geschäftsstellenleiter beim Fachverband FISAT, referierte über „Standardisierte Techniken bei seilunterstützten Zugangsverfahren“, etwas später erklomm mit Professor Dr.-Ing. Marco Einhaus ein weiterer ausgewiesener Fachmann die Bühne und berichtete über neue Entwicklungen bei Anschlageinrichtungen. „Ich war überrascht, wie fachspezifisch die Fragen waren, die im Anschluss an meine Vorträge gestellt wurden. Es ist sehr schön, dass die Vertical Pro in turbulenten Zeiten wie diesen stattfinden konnte“, diktierte er später in die Blöcke.
Ideale Gelegenheit zum Austausch
„Wir sind froh, dass die Vertical Pro überhaupt stattfindet“, sagte Klaus Wellmann, Geschäftsführer der Messe Friedrichshafen. „Und wir sind froh und stolz über die Aussteller, die an unserer Seite geblieben sind.“ Auch mit dem Besucherzuspruch zeigte sich Wellmann angesichts der prekären Corona-Lage zufrieden. „Hier kommen Sport und professionelle Anwender zusammen, beschäftigen sich mit Absicherung in der Höhe, und die Anbieter der Produkte sind ja häufig die gleichen. So bietet sich hier die ideale Gelegenheit, dass sich die beruflichen mit den passionierten Anwendern austauschen.“
Auch der FISAT suchte den Austausch über die eigene Branche hinaus. „Wir sind auch hier, um Kletterhallen- und Hochseilgarten-Betreibern deutlich zu vermitteln, dass es nichts mehr mit Sport zu tun hat, wenn Wartungs- oder Reparaturarbeiten in der Höhe vorgenommen werden. Dann fallen die ausführenden Mitarbeiter unter die Vorgaben für Seilzugangs- und Positionierungstechniken, also den Regelbereich der TRBS 2121-3. Das bedeutet, sie müssen entsprechend ausgerüstet und geschützt sein, wie es der DAV in seinen Kletterhallen bereits verlangt“, sagt Drangeid, und weist darauf hin, dass „wenn jemand im gewerblichen Sinne Tätigkeiten ausübt, ist er wie ein Angestellter oder Gewerbetreibender zu behandeln.“ Dazu diente die Messe auch der Kontaktpflege und dem Netzwerken. Zwar hätte man sich seitens des FISAT eine etwas größere Resonanz gewünscht, aber „die ganze Situation war für eine Premiere einfach nicht ideal“, so Drangeid, „aber aller Anfang ist schwer.“
Die erste ihrer Art
„Es war die erste Messe dieser Art. Und angesichts der äußeren Umstände war alles ok“, sagte auch Herbert Horelt, Geschäftsführer Devold of Norway. „Wir unterstützen die Messe Friedrichshafen sehr gerne, weil man hier immer sehr engagiert ist. Sie versuchen und machen alles, um den Markt anzuschieben. Auch diesmal waren wir im Vorfeld immer bestens informiert.“ Allerdings gestand auch Horelt ein, dass „wir auf mehr Zuspruch aus Sicht der Arbeitssicherheit gehofft haben.“
Bei den „Platzhirschen“ der Branche zeigte man sich recht zufrieden. „Wir sind mit viel Manpower hier und insgesamt sehr zufrieden. Der Einsatz hat sich gelohnt“, sagte Ronja Brinkmann von Petzl. Sicherlich sei die Messe noch recht überschaubar, aber am Stand gebe es eigentlich nur äußerst zielgerichtete Gespräche. „Das Interesse auch an den professionellen Produkten ist sehr groß. Auch haben wir tatsächlich viele neue Kontakte knüpfen können.“ Damit fühlte man sich seitens Petzl dann auch bestätigt, denn man finde die Idee der Vertical Pro spannend und habe dies von Anfang an unterstützt.
Gelungener Testlauf
Ähnlich äußerte sich auch Fenja Schrader, verantwortlich für das Online-Marketiong bei Skylotec: „Bei uns am Stand ist die ganze Zeit über was los, sicher auch dank unserer Action-Area.“ Auch der gemeinsame Auftritt mit der im Sommer übernommenen Marke Climbing Technology stieß wohl auf positive Resonanz. „Wir haben auch viele Neuheiten zu zeigen, sowohl für Seilzugangstechnik als auch für den Sport.“ Zwar sah man auch seitens Skylotec noch Luft nach oben, was die Zahl der Messebesucher betrifft, doch die Gespräche, die geführt wurden, hatten alle eine gute Qualität. „Ich bin eigentlich die ganze Zeit in Gesprächen, alles B2B Kontakte“, stellte Florian Wahl fest, Vertriebsleiter Sport bei Skylotec.
Als einen gelungenen Testlauf bezeichnete Daniel Gebel, Head of Innovations bei Edelrid, die Erstausgabe der Vertical Pro. Der Allgäuer Kletter- und Bergsportausrüster hatte in beiden Hallen je einen Stand, konnten so auf der einen Seite die Sportler, auf der anderen die professionellen Arbeiter bestens beraten und sich austauschen. „Jeder konnte sich ein Bild machen und eine Idee des Messekonzepts bekommen“, sagte Gebel, „ich denke, das sind beste Voraussetzungen für eine noch erfolgreichere zweite Ausgabe, hoffentlich unter günstigeren Rahmenbedingungen.“
Andere Klientel als üblich
Seitens des italienischen Labels Kapriol hätte man sich vor allen Dingen auch mehr Aussteller gewünscht, um einfach noch mehr Besucher zu locken. „Andererseits sind einige Marktleader da“, relativierte Andreas Kolli, Inhaber von KA-sales, dem Vertriebsorgan der Marke für D/A/CH. „Aber hier trifft man auf eine ganz andere Klientel als sonst auf den Messen.“ Neben den Produkten von Kapriol hatte er auch noch die innovativen Beleuchtungslösungen von Coast an seinem Stand. Insbesondere die Weltneuheit, die „SPG 500“-Schutzbrille mit integriertem Fern- und Abblendlicht, sorgte für viel Interesse bei den Besuchern. Dennoch hätte sich Kolli etwas mehr Frequenz gewünscht, aber er hat erkannt: „Die Messe hat Potential.“
cfk
Für die Zukunft weitere Partner gewinnen
Die Erstausgabe der Vertical Pro ist vorbei. Laut Veranstalter Messe Friedrichshafen strömten knapp 1.600 Fachbesucher an den zwei Messetagen durch die beiden Hallen, in denen offiziell 141 Aussteller aus 23 Nationen ihre Produkte und Services präsentierten. Dirk Heidrich, bei der Messe Friedrichshafen Projektverantwortlicher für die Vertical Pro, beantwortete im Nachgang die Fragen unserer Redaktion.
Herr Heidrich, wie erleichtert sind Sie, die Premiere der Vertical Pro hinter sich zu haben? Und wie zufrieden mit dem Resultat?
Dirk Heidrich: Wir sind sehr zufrieden mit dem Gesamtverlauf dieser Erstveranstaltung. Die teilweise kurzfristigen Einschränkungen, die die aktuelle Corona-Situation mit sich gebracht hat, waren zwar eine Herausforderung, aber insgesamt betrachtet war die Premiere der Vertical Pro mit mehr Besucherinnen und Besuchern als erhofft, davon viele aus dem Ausland, ein voller Erfolg.
Wie kam der zumindest aus Sicht der Arbeitssicherheit unglückliche Termin so kurz nach der A+A zustande?
Heidrich: Die Vertical Pro fand in einem Abstand von drei Wochen zur A+A statt. Da die A+A im Zwei-Jahres-Turnus stattfindet, wird es im kommenden Jahr keine Terminkollisionen geben.
Wo haben Sie Optimierungsbedarf entdeckt?
Heidrich: Mit dem Deutschen Alpenverein, der International Adventure Park Association, der Bergwacht Württemberg haben wir einige große Namen der jeweiligen Branchen gewinnen können. Für die Zukunft möchten wir weitere Partner gewinnen, um in allen Disziplinen breit aufgestellt zu sein.
Welche Ziele haben Sie sich und Ihrem Team für die nächste Vertical Pro gesetzt?
Heidrich: Ziel der Vertical Pro ist es, einen interdisziplinären Austausch und Wissenstransfer zu schaffen. Dies ist uns in diesem Jahr bereits sehr gut gelungen. Zukünftig möchten wir die Veranstaltung in allen vertikalen Einsatzbereichen etablieren, um den Branchen einen optimalen Treffpunkt zu bieten.
Wann findet die nächste Vertical Pro statt?
Heidrich: Die nächste Vertical Pro findet vom 25. – 26. November 2022 in Friedrichshafen statt.
Die Fragen stellte Camillo F. Kluge