Über 38000 Absturzunfälle weist die aktuelle Statistik zum Arbeitsunfallgeschehen der Deutschen Gesetzlichen Unfallversicherung (DGUV) für 2018 aus. Der weitaus größte Anteil hiervon, exakt 11061, sind auf Unfälle mit Leitern oder Trittleitern zurückzuführen, immerhin 202 Abstürze gab es von Behelfs- und Fahrgerüsten. Die Folgen sind zum Teil gravierend.
Allein im Bereich Leitern und Trittleitern hatten die Stürze 1081 neue Unfallrenten zur Folge. Wie Richtlinien zur korrekten Nutzung betrieblicher Steigtechnik und Normen wie die jetzt mit den Änderungen für Teil 4 veröffentlichten EN 131 für tragbare Leitern dazu beitragen können, Absturzunfälle zu minimieren, erläutert der süddeutsche Steigtechnikproduzent Hymer-Leichtmetallbau.
Die wenigsten Unfälle mit Leitern und Tritten haben fehlerhafte Produkte zur Ursache. Untersuchungen zeigen, dass ein Fünftel der Unfall-Leitern und -Tritte beim Einsatz zum Beispiel durch Verschleiß schadhaft war, eine für die Tätigkeit ungeeignete Arbeitshilfe eingesetzt wurde oder die Steigtechnik nicht korrekt genutzt wurde. „Wir beobachten jedoch, dass die Sensibilität der Anwender für das Thema Arbeitssicherheit wächst. Hierzu tragen zunehmend verschärfte Normvorgaben für die Hersteller ebenso bei wie aktuelle klare Richtlinien für die Anwender beim Einsatz betrieblicher Steigtechnik“, sagt Volker Jarosch, Geschäftsbereichsleitung Steigtechnik Serie bei Hymer-Leichtmetallbau. Die süddeutschen Aluminiumspezialisten fertigen seit rund 60 Jahren qualitative, langlebige Steigtechnikkonstruktionen, die bis ins Detail durchdacht sind.
TRBS 2121-2 als Entscheidungshilfe
Um das Unfallrisiko bei der Arbeit mit Steigtechnik möglichst gering zu halten, sollten Unternehmer ihre Mitarbeiter im sicheren Umgang mit den Arbeitsmitteln schulen und die eingesetzten Produkte regelmäßig auf ihre Unversehrtheit prüfen. Die Risikominimierung beginnt aber schon bei der Auswahl der passenden Steigtechniklösung für den jeweiligen Einsatzzweck. Bei dieser Entscheidung helfen beispielsweise die Technischen Regeln für Betriebssicherheit (TRBS) 2121-2.
Wesentliche Vorgabe der Betriebssicherheitsverordnung (BetrSichV) wie auch der TRBS 2121-2 ist, dass Unternehmen, deren Mitarbeiter an höhergelegenen Stellen arbeiten, grundsätzlich zuerst eine Gefährdungsbeurteilung durchführen müssen. Geprüft werden Aspekte wie die Komplexität und die Dauer der geplanten Tätigkeit, der Höhenunterschied, das bauliche Umfeld sowie die Bodenbeschaffenheit. Auf Basis der Gefährdungsbeurteilung wird entschieden, welches Arbeitsmittel zum Einsatz kommt – ob eine Leiter, ein Fahrgerüst oder eine Hebebühne.
Klare Richtlinien gibt die TRBS 2121-2 auch für den Einsatz vor, erklärt Volker Jarosch: „Bei der Verwendung der Leiter als Verkehrsweg – also als Zugangshilfe zu einem höhergelegenen Arbeitsplatz – dürfen bis zu einer Zustiegshöhe von maximal fünf Metern für einen sicheren Auf- und Abstieg geeignete Sprossen- oder Stufenleitern eingesetzt werden. Liegt der Arbeitsplatz höher, muss eine Alternative verwendet werden, zum Beispiel ein Treppengerüst wie unser Hymer Treppen-Fahrgerüst 6273 mit Fahrtraverse.“ Bei der Verwendung der Leiter als Arbeitsplatz dürfen ausschließlich Produkte verwendet werden, auf denen der Anwender mit beiden Füßen fest auf einer mindestens 80 Millimeter tiefen Stufe oder einer Plattform stehen kann.
Hier bietet der Hersteller mit den Hymer-Stufenstehleitern 8024 und 8026, der Hymer-Plattformleiter 8080 oder der werkzeugfrei höhenverstellbaren Plattformleiter Hymer ProTect+ 8484 verschiedene geeignete Produkte. Die Nutzung der Leiter als Arbeitsplatz ist zudem zeitlich reguliert, erläutert Volker Jarosch: „Bis zu einer Standhöhe von zwei Metern ist die Nutzung uneingeschränkt, bei einer Standhöhe ab zwei und bis fünf Meter nur für den Zeitraum von maximal zwei Stunden erlaubt. Ab einer Standhöhe von fünf Metern muss generell ein alternatives Arbeitsmittel gewählt werden, beispielsweise ein Fahrgerüst wie das Hymer Advanced Safe-T 7070 oder 7075, die dem Anwender bereits beim Aufbau optimale Sicherheit gewährleisten.“
EN 131 für tragbare Leitern – aktuelle Reform Teil 4
Die optimale Basis für ein sicheres Arbeiten in der Höhe sind normkonform hergestellte Produkte. Die für die Herstellung tragbarer Leitern gültige Norm ist die europäische Norm EN 131. Die einzelnen Teile der EN 131 werden seit einigen Jahren überarbeitet und die Vorgaben verschärft. Die Teile 1 bis 3 sind in aktualisierter Form bereits seit Januar 2018 in Kraft, führt Volker Jarosch aus: „Eine der wesentlichen Änderungen der Reform war, dass Anlegeleitern wie Schiebe- oder Seilzugleitern ab einer Länge von drei Metern grundsätzlich eine Standverbreiterung vorweisen müssen, beispielsweise in Form einer Traverse. Die Breite der Standverbreiterung ist abhängig von der Länge der jeweiligen Anlegeleiter, beträgt jedoch maximal 1,20 Meter.“
Seit Juni ist nun auch die neue Fassung des vierten Teils der Norm EN 131 veröffentlicht. Er bezieht sich auf Ein- und Mehrgelenkleitern wie Teleskopleitern oder Vielzweckleitern. Mit der Änderung der EN 131-4 müssen künftig auch Gelenkleitern, die als Anlegeleiter in ausgefahrenem Zustand eine Länge von drei Metern überschreiten, mit einer Standverbreiterung ausgestattet sein. Der süddeutsche Hersteller hatte diese Änderung vorhergesehen und mit den Hymer-Teleskopleitern 4142 und 8142 mit klappbaren Auslegern schon vor zwei Jahren eine Lösung entwickelt, die der jetzt veröffentlichten neuen Norm entspricht. Für vorhandene Hymer-Teleskopleitern 4042 oder 8042 bietet das Unternehmen ausklappbare Ausleger zudem als Nachrüstset zur Selbstmontage an.
Eine weitere Änderung betrifft Vielzweckleitern mit 4 x 3 Sprossen, die eine Möglichkeit des Aufbaus als Arbeitsbühne bieten. Diese müssen vom Hersteller spätestens nach Ablauf der Übergangsfrist ab Oktober inklusive einer passenden Plattform ausgeliefert werden. Auch hier hat der Aluminiumspezialist bereits eine entsprechende Lösung im Sortiment, so Volker Jarosch: „Die Hymer-Vielzweckleiter 4143 inklusive Plattform ist eine normkonforme Arbeitshilfe, die besonders flexibel einsetzbar und darüber hinaus auch platzsparend zu transportieren und zu lagern ist. Sie kann sowohl als Anlege- als auch als Stehleiter verwendet werden. Durch die im Lieferumfang enthaltene Plattform lässt sie sich zusätzlich als komfortable Arbeitsbühne auch in Treppenstellung einsetzen.“
Neue Fassung der Norm EN 1004 für Fahrgerüste erwartet
Neben den Änderungen der Leiternorm EN 131 befindet sich derzeit auch die Norm EN 1004 für Fahrgerüste in Überarbeitung und wird voraussichtlich in Kürze in neuer Fassung erscheinen. „Eine der wesentlichen Änderungen wird die Verpflichtung für den Hersteller sein, Fahrgerüste zukünftig ausschließlich mit der Möglichkeit einer sicheren Aufbauweise anzubieten“, erklärt Volker Jarosch. „Während des Auf- oder Abbaus sind Anwender von Fahrgerüsten besonders gefährdet, da die sichernden Elemente wie Geländerteile und Streben erst noch angebracht werden müssen. Die neue Fassung der EN 1004 wird vorsehen, dass Fahrgerüste so konstruiert sein müssen, dass bereits während des Aufbaus ein kontinuierlicher Seitenschutz gewährleistet ist.“
Hymer-Leichtmetallbau hat bei der Konstruktion der Steigtechnikprodukte die Sicherheit und den Komfort der Anwender seit jeher fest im Blick und bietet bereits seit langem intelligente Lösungen, die die zu erwartenden neuen Vorgaben der EN 1004 schon heute vollständig erfüllen, betont Volker Jarosch: „Die Fahrgerüste 8472, 8771, 8171 und 8371 aus unserem Profisortiment basieren auf dem von uns entwickelten Comfortaufbau. Diese speziell für den intensiven Dauereinsatz gefertigten, massiven Fahrgerüste sind für einen hochstabilen Stand entweder mit Fahrtraverse oder mit den von uns entwickelten, patentierten Bajonett-Auslegern ausgestattet, die sich komfortabel vom Boden aus montieren lassen. Mithilfe des Hymer-Lifters – einer speziellen Greifstange – werden die oberen Verstrebungen ganz bequem vom Boden oder der jeweils darunter liegenden Plattform aus ein- oder ausgehängt, so dass der kontinuierliche Seitenschutz in jeder Phase des Auf- oder Abbaus gewährleistet ist.“
Eine weitere Lösung, die diese Anforderungen bereits jetzt erfüllt, ist die Fahrgerüst-Serie Advanced Safe-T mit patentiertem Sicherheitsgeländer. Das Sicherheitsgeländer wird von unten in die Bühne eingeklinkt und über selbstsichernde Haken arretiert.
Bestand darf weiter eingesetzt werden
Normen wie die EN 131 und die EN 1004 richten sich an die Hersteller, die bei Änderungen nach Ablauf der jeweiligen Übergangsfrist alle Produkte ausschließlich nach den Vorgaben der neuen Fassungen produzieren. Für den vorhandenen Bestand im Handel und bei den Anwendern gebe es hierdurch jedoch keinen akuten Handlungsbedarf, informiert Volker Jarosch: „Auch wenn die Normänderung der Verbesserung der Arbeitssicherheit dient, bleiben nach alter Norm produzierte Leitern oder Fahrgerüste rechtskonform und gelten natürlich nicht automatisch als unsicher. Da Unternehmer ihre Arbeitsmittel gemäß Betriebssicherheitsverordnung in regelmäßigen Abständen entsprechend einer Gefährdungsbeurteilung prüfen müssen, empfehlen wir jedoch, beim Neukauf auf normkonform gefertigte Produkte zu achten, da so die Sicherheit der Arbeitsmittel beim Einsatz bestmöglich gewährleistet ist.“