Stretch-Kleidung hebt die Themen Bewegungsfreiheit und Tragekomfort im Arbeitsalltag auf ein neues Level. Kein Wunder, dass sie im Bereich der Workwear immer beliebter wird. Über die Voraussetzungen, die Stretch-Materialien bei Workwear erfüllen müssen, geben Joachim Geyer und Sven Traub, PSA-Experten bei Paul H. Kübler Bekleidungswerk, Auskunft.
Radhosen oder Leggins in Stretch gibt es schon lange, nun ist Stretchkleidung auch in der Workwear auf dem Vormarsch. Worauf führen Sie das zurück?
Joachim Geyer: Eine wesentliche Rolle spielt der zunehmende Wunsch der jüngeren Trägerinnen und Träger, auch im Beruf modern und figurbetont aufzutreten. Aus der Forderung nach körpernahen Schnitten bei Workwear ergab sich zwangsläufig die Notwendigkeit, elastische Garne und Materialien einzusetzen. Anders wäre es nicht möglich gewesen, die bei vielen Tätigkeiten essentielle Bewegungsfreiheit zu gewährleisten. Auch ist die Akzeptanz von Stretchgeweben deutlich gestiegen. Eine steigende Zahl der Anwenderinnen und Anwender hat ja bereits positive Erfahrungen mit Freizeit- und Sportbekleidung aus elastischen Materialien gemacht.
Wie definieren Sie Stretchkleidung?
Sven Traub: Bei Stretch-Kleidung werden elastischen Komponenten, also 2- oder 4-Wege-Stretch, vollständig oder partiell eingesetzt. Für die Stretch- und Rücksprung-Eigenschaften sorgen die beigemischten elastischen Fasern. Ihr Anteil liegt bei drei bis zehn Prozent. Durch den Stretch-Anteil passt sich das Kleidungsstück perfekt an die Bewegungen der Träger an, was höchstmöglichen Tragekomfort bringt. Stretch-Materialien wie Elasthan und Elastolefin sind synthetisch hergestellte Fasern.
Welche Berufsgruppen profitieren besonders von Stretch-Kleidung?
Traub: Stretch-Kleidung bietet aufgrund ihrer Flexibilität und Bequemlichkeit zahlreiche Vorteile für eine Vielzahl von Berufsgruppen. Hier nur einige Beispiele: Mitarbeitende in der Produktion und Logistik müssen oft schwere Lasten heben. Stretch-Kleidung erlaubt eine größere Bewegungsfreiheit und kann helfen, Ermüdungserscheinungen zu reduzieren. Kundendienst-Monteure und Servicemechaniker sind häufig gezwungen, in ungewöhnlichen Positionen zu arbeiten und sich in enge Räume zu zwängen, um Reparaturen oder Installationen vorzunehmen. Stretch-Bekleidung unterstützt sie dabei, sich frei zu bewegen und konzentriert zu arbeiten.
Geyer: Ein anderes Beispiel sind Security-Mitarbeiter, die müssen schnell reagieren und sich viel bewegen, manchmal unter physisch anspruchsvollen Bedingungen. Die Dehnbarkeit der Stretch-Kleidung ermöglicht schnelle Bewegungsabläufe ohne Einschränkungen. Verkaufsfahrer sitzen lange im Fahrzeug, müssen aber auch Ladungen ein- und ausladen. Stretch-Kleidung steigert sowohl den Komfort während langer Fahrten als auch die Beweglichkeit beim Be- und Entladen. Im Handwerk, wie beispielsweise bei Elektrikern und Installateuren, wird körperliches Arbeiten in verschiedenen Positionen und Höhen verlangt. Auch hier ermöglichen Stretch-Materialien, sich frei zu bewegen und über längere Zeit komfortabel zu arbeiten.
Wie steht es um die Strapazierfähigkeit und Abriebfestigkeit von Stretch-Bekleidung?
Geyer: Durch den Einsatz von elastischen Komponenten sind Hosen und Jacken deutlich flexibler und leistungsfähiger geworden. Das gilt für partielle Lösungen in Form eines Stretcheinsatzes in den Bewegungszonen, also bei Hosen im Schritt-, Knie- und Gesäßbereich oder bei Jacken an Ärmelbündchen, Ellenbogen, Schulter und Kragen, ebenso wie für die Voll-Stretch-Variante. Durch leistungsfähige Materialkompositionen, strapazierfähige und besonders reißfeste Web- bzw. Bindungstechniken sind elastische Gewebe nicht nur strapazierfähig, sondern auch abriebfest. Für extreme Anwendungen sind exponierte Stellen mit einem doppelten oder zusätzlichen Gewebebelag verstärkt, um die nötige technische Strapazierfähigkeit zu gewährleisten.
Für welche Gewebekomposition hat sich Kübler bei der kürzlich in den Markt eingeführten Stretch-Kollektion Athletiq entschieden?
Geyer: Bei der neuesten Stretch-Kollektion hat sich Kübler für eine Gewebekomposition entschieden, die sowohl Funktionalität als auch Komfort maximiert. Dies wird durch eine Mischung aus Polyester und Elasthan erreicht. Polyester sorgt für Langlebigkeit und einfache Pflege der Bekleidung und Elasthan für die notwendige Elastizität, um volle Bewegungsfreiheit zu gewährleisten. Kübler Athletiq ist außerdem hoch atmungsaktiv. Die Materialien sind so entworfen, dass sie Feuchtigkeit vom Körper wegtransportieren und durch das Gewebe nach außen leiten. Damit eignet sich die Kleidung auch ideal für Umgebungen, wo Mitarbeiter körperlich aktiv sind und Temperaturen hoch sein können wie in Produktionshallen.
Wo sehen Sie die Grenzen für den Einsatz von Stretch-Kleidung in der Workwear?
Traub: Stretch-Kleidung hat sich im Bereich der Berufsbekleidung als sehr vorteilhaft erwiesen, da sie ausgezeichnete Beweglichkeit und Komfort bietet. Allerdings gibt es bestimmte Situationen und Umgebungen, in denen die Grenzen von Stretch-Materialien deutlich werden, zum Beispiel wenn regelmäßig mit rauem Stückgut oder scharfkantigen Werkzeugen gearbeitet wird. Die Kombination aus hochstrapazierfähigen Materialien wie Ripstop und Cordura an kritischen Stellen mit strategisch platzierten Stretch-Einsätzen stellt jedoch eine effektive Lösung dar, um sowohl die notwendige Haltbarkeit als auch die Bewegungsfreiheit zu gewährleisten. Diese hybride Bekleidungskonstruktion erlaubt es, spezifische Anforderungen verschiedener Arbeitsbedingungen zu erfüllen und gleichzeitig den Tragekomfort zu maximieren.
Bei Arbeitskleidung werden unterschiedliche Arten von Stretch verarbeitet. Welche Materialien eignen sich für welche Anwendungen?
Geyer: Der 4-Wege-Stretch kann sich in alle vier Richtungen dehnen und bietet somit maximale Flexibilität und Bewegungsfreiheit. Er wird oft für Bereiche eingesetzt, in denen eine hohe Beweglichkeit erforderlich ist, wie im Schritt oder an den Seiten der Kleidung. Der 2-Wege-Stretch hingegen dehnt sich nur in zwei Richtungen, meist horizontal oder vertikal. Damit schafft er in vielen Bereichen ausreichend Bewegungsspielraum.
Wie unterscheiden sich Stretch und Strick hinsichtlich Robustheit und Tragegefühl?
Geyer: Im Allgemeinen sind gewebte Stretch-Materialien robuster als Strickvarianten. Gewebte Stoffe wie Ripstop sind für ihre Zug- und Reißfestigkeit bekannt und werden oft in stark beanspruchten Bereichen eingesetzt. Strickmaterialien bieten hingegen ein weicheres und flexibleres Tragegefühl im Vergleich zu den meisten gewebten Stoffen. Sie sind ideal für Bereiche des Körpers, die eine hohe Anpassungsfähigkeit erfordern, jedoch weniger geeignet für hohe mechanische Beanspruchung. Wir verwenden zum Beispiel bei unserer Kollektion Kübler Bodyforce Strickeinsätze speziell in den Bereichen Nacken, Ellenbogen, Ärmel und Schultern.