Vor über zehn Jahren hat Martin Reichle einen Online-Fachhandel für Workwear gegründet, der mit professionellen Marken Kunden aus Handwerk und Industrie versorgte. Das gelang so erfolgreich, dass sich nicht nur das Label Genxtreme etablierte und ein Ladenlokal in Kaufbeuren eröffnet wurde, sondern Reichle vor drei Jahren einen weiteren mutigen Schritt wagte: Mit Forsberg wurde eine eigene Marke ins Leben gerufen.
Was mit einigen Kleidungsstücken vorsichtig startete, entwickelte eine rasante Eigendynamik. Mittlerweile können sich Handwerk und Industrie von Kopf bis Fuß in dem immer noch jungen Label einkleiden. Bereits 2010 hatte Reichle den Online-Fachhandel sprichwörtlich aus dem Boden gestampft. Das Unternehmen startete als reiner Onlinehandel aus dem eigenen Wohnzimmer. Da es auch zu der Zeit schon einige andere Mitbewerber gab, war für den Erfolg ein vernünftiges Konzept mit einer persönlichen Kundenansprache entscheidend. Auf Grund seines Klick- und Kaufverhaltens sowie auch geographischer Informationen wurde zum Beispiel jeder Kunde individuell auf der Shop-Seite begrüßt.
Doch bekommt der reine Handel immer mehr Konkurrenz. Das gilt auch für den Fachhandel mit persönlicher Schutzausrüstung. Zum einen gibt es immer mehr Online-Plattformen, zum anderen bieten aber auch immer häufiger Hersteller ihre Produkte den Kunden direkt an. So stellte sich Reichle schon vor einigen Jahren entsprechende Fragen: Wo bleibt der Handel in der Zukunft? Wie müssen wir uns als Händler positionieren? Wie kann der Handel überleben? Antworten fand er in der Eigenmarke, „die wir jetzt immer intensiver positionieren, um auch aus dieser Abhängigkeit des reinen Händler-Daseins herauszukommen.“ Hinzu kommt seiner Ansicht, dass es angesichts vieler Online-Marktplätze und der dynamischen Online-Preise für den Fachhändler immer schwieriger wird, ein Unternehmen wirtschaftlich erfolgreich zu führen. „Für einen reinen PSA-Händler bleibt eigentlich keine Luft zum Überleben.“
Ein qualitativ hochwertiges Label kreieren
Doch wurde das Projekt Eigenmarke mit einer eigenen Kollektion nicht aus der Not geboren, sondern „es gab von Anfang an das Bestreben, ein qualitativ hochwertiges Label zu kreieren.“ Die Rechnung ging auf: Mit Forsberg wurde eine neue Marke mit qualitativ hochwertigen Produkten entwickelt. „Wir haben es geschafft, Forsberg als Marke aufzubauen“, kann Reichle mit Stolz feststellen. Untrügliches Zeichen, dass man mit der eigenen Kollektion auf dem richtigen Weg ist: Es gibt Hersteller, die Forsberg-Produkte tatsächlich schon Eins zu Eins kopieren.
Das liegt unter anderem sicher auch daran, dass Forsberg als Label klar definiert wurde. Styles, Designs, Farben, Materialien oder Haptik gehen bei Forsberg in eine klare Richtung: Weg von reiner zweckmäßiger Arbeitskleidung hin zu einem bequemen, stylischen, lässigen, bunten und komfortablen Outfit, dass auch in der Freizeit oder bei Outdoor-Aktivitäten nicht nur zweckmäßig ist, sondern einen hohen Wohlfühl-Charakter mit Hingucker-Qualitäten verknüpft.
Den Weg der reinen Workwear verlassen
Das liegt nicht zuletzt an dem Team, dass Reichle mittlerweile zusammen hat. Eigene Mitarbeiter für den Entwurf der Designs, für die Zeichnungen oder auch die Schnitte sorgen dafür, dass Forsberg komplett auf eigenen Füßen steht und kontinuierlich seinen Weg geht. Und dieser Weg hat den Pfad reiner Workwear längst verlassen, dafür den Bereich modischer, ja schon kultiger Freizeitkleidung mit erfasst. „Was hat unsere neue T-Shirt Kollektion mit dem Bärchen, das aus der Brusttasche schaut und in der Brusttasche unterschiedliche Dinge tut, noch mit eigentlicher Workwear zu tun?“, stellt Ivan Pavlovic-Mellis, Senior Marketing Manager bei Genxtreme, eine Frage, die er gleich selbst beantwortet: „Solche Produkte sind für uns ein Instrument, die Marke frei zu bekommen und nachhaltig zu stärken.“
Das Konzept funktioniert. Als eine der wenigen Marken aus der Workwear findet sich Forsberg mittlerweile schon bei Händlern, die eigentlich wenig mit PSA zu tun haben. Otto Versand, Zalando oder About You nennt Reichle als Beispiele. „Wir positionieren Forsberg immer mehr als ein Fashion-Label, dass den Kern einer Workwear besitzt“, erklärt er, wohlwissend, dass in der Mode andere Gesetze gelten als bei reiner Workwear. „Die Sortimente drehen sich viel schneller, man muss saisonale Angebote schaffen“ nennt er zwei wesentliche Faktoren.
Workwear muss Funktionen und Normen erfüllen
Wobei man sich mit Forsberg diesem Diktat nicht unterwerfen wird. „Wir haben hier ein stabiles Sortiment, das vielleicht alle drei Jahre gewechselt wird“, so Reichle. „Zum Anfang“, so sagt er, „hatten wir sehr viel Umdrehung drin, bis sich Styles etabliert haben.“ Auf diesen wird nun aufgebaut. So könne mit modischer Workwear eher ein dem Produkt angemessener Preis erzielt werden.
Denn häufig, so die Meinung des Unternehmers, werde Workwear unter Wert verkauft. „Workwear ist immer viel, viel mehr wert, allein schon, weil sie häufig viele Funktionen oder Normen erfüllen muss“, erinnert er.
Doch neben modischen Trends ist das Wichtigste, dass die Qualität der Produkte stimmt und auf welcher Basis sie hergestellt werden. „Ein T-Shirt, das hierzulande für 1,50 Euro zu kaufen ist, aber vorher um die halbe Welt geflogen ist, an dem Händler und Zwischenhändler und Hersteller noch etwas verdienen – auf welcher Basis kann so etwas funktionieren? Welche Qualität kann die Arbeit, kann ein solches Produkt haben? Für uns war klar: So etwas wollen wir nicht!“
So war für Forsberg von Anfang an deutlich definiert, dass auf Qualität und auf Nachhaltigkeit gesetzt wird. Das Produkt soll länger halten, länger getragen werden. „Wir wollten unbedingt auch ein faires Herstellungsverfahren“, betont Reichle. Zweifelhafte Produktionsprozesse, Kinderarbeit oder mit Schadstoffen belastete Produkte, solche Themen waren bei Forsberg von der ersten Sekunde an ausgeschlossen. „Wir wissen, bei wem wir produzieren, wir kennen die Leute persönlich“, sagt Pavlovic-Mellis. Und Reichle betont, dass diese Qualität spürbar ist. Der Kunde merke auch, dass die Forsberg Produkte ihre Preise rechtfertigen. „Er spürt und fühlt, der Artikel ist es wert. Und das merken wir schließlich auch bei den Bestellungen.“
Den Markt etwas fairer gestalten
„Das ist ein wichtiger Baustein in unserem Bestreben, mit Forsberg ein Stück dazu beizutragen, den Markt etwas fairer zu gestalten. Genauso wollten wir dem Markt auch belegen, dass Produkte nicht unter Wert verkauft werden müssen“, sagt Reichle. „Will man Qualität, muss man Qualität bezahlen.“
Das Thema Nachhaltigkeit ist nicht allein bei den Produkten des Unternehmens spürbar, sondern hält auch immer stärker in anderen Bereichen Einzug. Plastik vermeiden lautet die Devise, und so wird nicht nur derzeit eine Verpackung aus Maisstärke getestet, die komplett kompostierbar ist, sondern es werden lösungsmittelfreie Klebebänder, Papierverpackungen und Versandtaschen aus Papier genutzt.
Ganz aktuell hat Forsberg für seine Funktionsshirts mit einem seiner Produzenten eine Faser entwickelt, aus der nun eine neue Serie Shirts gewoben wird. Der Stoff ist nicht nur sehr leicht und dünn, er ist zudem besonders stabil, soll UV-Schutz bieten, weder Gerüche annehmen noch selbst riechen. „Das Shirt fasst sich wie ein Baumwoll-Shirt an und trägt sich auch mindestens genauso bequem, bietet aber sämtliche Funktion eines klassischen Funktionsshirts“, erklärt Reichle.
Thema Outdoor wird weiterentwickelt
Doch Forsberg will noch mehr. Im Outdoor-Bereich sind bereits Wanderer mit Hosen und Hemden von Forsberg sowohl in den nahegelegenen Alpen, aber auch in Kanada oder dem Outback Australiens unterwegs. Auch das Thema Outdoor wird entsprechend weiter entwickelt. Zudem plant Reichle eine Pflegeserie für Handwerker. Wasserlose Seife, eine Pflege- oder auch Sonnenschutzcreme – solche Produkte sollen über kurz oder lang das Portfolio erweitern. Dass die Ideen und die Marke Forsberg nicht nur beim Verbraucher ankommen, bestätigt die Nachfrage anderer Händler.
„Wenn du eine Vision hast, wenn du an irgendetwas glaubst, und das habe ich, dann gehst du das Risiko als Unternehmer ein. Wir haben immer daran geglaubt, etwas zu ändern, den Markt weiter mit zu entwickeln. Wir haben dieses Momentum genommen und werden es nutzen. Viele im Markt haben eine tolle Idee, aber die wenigsten setzen die auch um“, so Reichle. Er hat „gemacht“, hat nach dem Fachhandel Genxtreme nun offensichtlich auch mit Forsberg einen Volltreffer gelandet.
Camillo F. Kluge