In vielen traditionell von Männern geprägten Berufsfeldern erobern Frauen zunehmend ihren Platz. Eine Person aus dem Team Höhenpass, die nach einem kleinen Umweg ihren Platz im Bereich der Absturzsicherheit gefunden hat, ist Steffie Bach. Im Interview spricht sie über ihre Erfahrungen und ihre Rolle als Absturzsicherungstrainerin in der Branche.
Hallo Steffie, stell´ Dich doch einmal kurz vor.
Steffie Bach: Mein Name ist Steffie Bach, ich bin selbstständige Einzelunternehmerin und gebe hauptsächlich Trainings im Bereich der Absturzsicherung. Das heißt, ich schule Mitarbeiter von verschiedenen Unternehmen in der richtigen Anwendung von Persönlicher Schutzausrüstung in der Höhe und Tiefe. Ich bin bundesweit unterwegs, um in Zusammenarbeit mit verschiedenen Schulungsanbietern Trainings vor Ort oder in Schulungszentren anzubieten.
Bis Du Deine „Berufung“ gefunden hast, musstest Du einen kleinen Umweg gehen. Wie sah Dein bisheriger Werdegang aus?
Bach: Mein jetziger Beruf hat sich selbst für mich recht überraschend ergeben. Vor zehn Jahren hätte ich nie gedacht, dass ich einmal mit so viel Spaß im Seil als Trainerin unterwegs sein würde. Aufgewachsen bin ich direkt neben der familieneigenen Tischlerei, doch eine Lehre im Handwerk war für meine Eltern damals ein No-Go. Somit habe ich nach dem Abitur eine Ausbildung zur Hotelfachfrau absolviert und über 20 Jahre in dieser Branche gearbeitet. Neben Tätigkeiten im Vertrieb, Marketing und der Kundenbetreuung habe ich dann außerdem eine Weiterbildung als Trainerin absolviert. So konnte ich zusätzlich auch Teammitglieder ausbilden und coachen, was mir direkt viel Freude bereitet hat.
Mit Anfang 40 habe ich der Hotellerie dann den Rücken zugekehrt und bin durch ein paar glückliche Umstände in der Kletterhalle gelandet und auch hier zur Trainerin ausgebildet worden. Der nächste Schritt hat mich dann zu einem renommierten PSA-Hersteller geführt, wo tolle Menschen mein Potential als Trainerin erkannt haben und mit mir einen Ausbildungsplan entwickelt haben, der mich intensiv auf meine nächste Rolle als „Rescue Instructor“ vorbereitet hat. Seitdem habe ich mich stetig weiterentwickelt, wichtige Erfahrungen gesammelt und neue Kursmodule anvertraut bekommen. So bin ich mittlerweile zusätzlich dazu befähigt, Trainings in den Bereichen „Beengte Räume“, „Sachkunde für PSAgA“ und „Erste Hilfe“ zu geben. Außerdem unterstütze ich bei der Erstellung von Gefährdungsbeurteilungen und Rettungskonzepten.
Hast Du während Deiner beruflichen Laufbahn besondere Herausforderungen auf Grund Deines Geschlechtes erfahren müssen?
Bach: In meinem jetzigen Job habe ich persönlich noch keine wirklich negativen Erfahrungen machen müssen. Ich werde ernst genommen, meine Anweisungen werden respektiert und meine Kollegen unterstützen mich zu hundert Prozent. Bei Vergütungsverhandlungen stehe ich nicht schlechter da als meine männlichen Kollegen, was ich aus der Hotellerie noch ganz anders kannte. Auch mit Vorurteilen war ich kaum konfrontiert. Ich kann mich an ein Training erinnern, bei dem mein Geschlecht in der Feedbackrunde angesprochen wurde. Die Hauptaussage dieser Situation war aber, dass meine Kollegin und ich diesem Kursteilnehmer die Zweifel, die er noch vor dem Kurs gegenüber weiblichen Trainerinnen hatte, komplett nehmen konnten. Man könnte jetzt sagen, diese Aussage war diskriminierend, aber für mich war es schön zu erfahren, dass wir im Laufe eines Tages einige Vorurteile abbauen konnten und die nächsten Trainerinnen vielleicht gar nicht mehr in Frage gestellt werden. Körperlich herausfordernd waren für mich meine ersten Fortbildungen nach IRATA und FISAT, doch mit der richtigen Technik konnte ich lernen, auch meine männlichen Kollegen mit deutlich höherem Körpergewicht aus dem Seil zu heben. Das macht mich heute besonders stolz, und ich freue mich auf die jährlichen Wiederholungsunterweisen, bei denen ich zeigen darf, was ich kann.
Findest du, dass sich die Einstellung zur Teilnahme von Frauen im Bereich der Absturzsicherung und im Handwerk im Allgemeinen in den letzten Jahren entwickelt hat?
Bach: Ich höre immer wieder, dass Frauen in männerdominierten Teams gewünscht sind, um zusätzliche Herangehensweisen und Geschicke mit in den Arbeitsalltag zu bringen. Ein durchmischtes Team kann die Effizienz verbessern. Die meisten Frauen, die ich bisher im Handwerk oder anderen männerdominierten Berufen kennengelernt habe, sprechen ebenfalls von größtenteils positiven Erfahrungen. Diejenigen, die leider auch negative Erfahrungen mit Vorgesetzten oder Kollegen machen mussten, waren immer so selbstbewusst, sich aus diesen toxischen Umgebungen zu entfernen, um in einem anderen Umfeld umso besser aufgenommen zu werden. Ich kann nur hoffen, dass auch der Fachkräftemangel zu einer noch offeneren Haltung gegenüber Frauen im Handwerk verhelfen wird. Anderen Frauen kann ich nur raten, sich nicht abschrecken zu lassen: Jeder hat seine eigenen Stärken, die schnell erkannt und in einem Team eingesetzt werden können. Sobald du diese Stärke erkannt hast und nutzen kannst, ist es egal, wer du bist und wo du herkommst. Außerdem möchte ich euch raten, auch mal die eine oder andere Situation mit Humor zu nehmen, aber auch ganz klar aufzuzeigen, wann eure Grenzen überschritten werden.
Wie schwierig ist es für dich, passende PSAgA zu finden? Was würdest du dir von Herstellern von PSAgA wünschen?
Bach: Einen passenden Auffang- oder Sitzgurt zu finden, ist für mich oftmals eine Herausforderung, da die allermeisten Gurte auf die Anatomie von Männern ausgerichtet sind. Nachdem ich bereits verschiedene Hersteller und Gurttypen ausprobiert habe, bin ich noch auf keinen gestoßen, der sich optimal an den weiblichen Körper anpasst. Höhenpass hat zum Glück ein großes Sortiment und ist immer bei den Neuentwicklungen der Hersteller mit dabei. Ab und an testen wir auch mal neue Modelle, aber da haben die Hersteller meiner Erfahrung nach noch Potential zur Verbesserung. Auch wenn kleinere Blessuren bei unserem Beruf nicht ganz wegzudenken sind, würde ich mir wünschen, dass Hersteller auch mal eine „Lady Line“ entwickeln oder wenigstens das Größenangebot erweitern. Mir ist bewusst, dass der Anteil von Frauen im Seil noch sehr gering ist und das Thema für Hersteller keine richtige Relevanz darstellt, aber vielleicht ändert sich das ja in den nächsten Jahren.
Noch eine persönlichere Frage: Wie stellst du dir deine berufliche Zukunft vor?
Bach: Die nächsten Jahre mache ich genauso weiter, ich kann mir nicht vorstellen, auf das Klettern zu verzichten. Langfristig muss ich mir natürlich eingestehen, dass ich älter werde und mein Körper, insbesondere mein Rücken, weniger belastbar sein wird. Das Feld der PSAgA möchte ich dennoch nicht verlassen, sondern mich langfristig auf Theorie-Schulungen sowie die Beratung und den Vertrieb konzentrieren.
Steffi Bach
Die 49-jährige gelernte Hotelfachfrau arbeitet seit einigen Jahren als freiberufliche Industriekletterin und Trainerin u. a. für Höhenpass. Die geborene Westfälin lebt in Paderborn. Als Ausgleich zum Berufsalltag geht sie auch selbst gerne mal in die Kletterhalle. Mit regelmäßigem Yoga und Schwimmen hält sie sich fit.