Im Gegensatz zu herkömmlichen Handschuhen, die meistens aus Fasern wie Baumwolle, Polyester oder Nylon bestehen, sind Schnittschutzhandschuhe aus speziellen Fasern hergestellt, die eine deutlich höhere Zugfestigkeit aufweisen. Diese Fasern sind so angeordnet und zusammengesetzt, dass sie eine hohe Widerstandsfähigkeit gegen scharfe Gegenstände wie Messer, Bleche oder Glasscherben bieten.
Ein Schnittschutzgewebe kann dabei aus verschiedenen Materialien hergestellt werden, je nach Anforderung und Einsatzzweck. Mittlerweile ist hier an erster Stelle HPPE (High-Performance-Polyethylen) zu nennen, das eine sehr hohe Zugfestigkeit und Flexibilität bietet. Andere Materialien wie Aramidfasern, Edelstahlfasern oder Glasfasern bieten ebenfalls einen hohen Schnittschutz mit jeweils unterschiedlichen Vor- und Nachteilen.
Durch die spezielle Faserzusammensetzung und -anordnung ist ein Schnittschutzgewebe in der Lage, bei einem Schnittversuch die Energie des Schnitts auf eine größere Fläche zu verteilen und somit das Eindringen des scharfen Gegenstands zu verlangsamen oder sogar zu stoppen. Dadurch kann es im Ernstfall schwere Verletzungen verhindern und somit den Träger vor Gefahren schützen.
In der Praxis müssen Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer bei Risiken vor Schnittverletzungen geschützt werden, insbesondere wenn scharfe Gegenstände unmittelbar gehändelt werden müssen. Die Schutzmaßnahme darf die Ausführung der Tätigkeit gemäß der EU-Verordnung 2016/425 jedoch nicht einschränken oder stärker einschränken als unbedingt notwendig.
„Schnittschutzhandschuhe“ sind Handschuhe, die nach DIN EN 388:2016 gegen mechanische Risiken geprüft und zertifiziert sind. In Folge sind sie mit einem Schnittschutzlevel zwischen A und F gekennzeichnet. Schutzhandschuhe sehen sich oft sehr ähnlich, sind jedoch funktional sehr unterschiedlich. Insbesondere bei synthetischen Handschuhen sind diese Unterschiede mit dem bloßen Auge für viele nicht mehr erkennbar, und die Anwender müssen der Leistungsbeschreibung des Herstellers und den Zertifikaten der Teststellen vertrauen.
Phänomen des Schnitts
Die Wahl des richtigen Schnittschutzlevels hängt maßgeblich von der Schärfe der zu händelnden Materialien ab. Eine scharfe Schneide übt eine Punktbelastung auf eine einzelne Molekülverbindung aus, während eine stumpfe Schneide die Belastung auf mehrere Verbindungen verteilt, wodurch die Schneidkraft reduziert wird. Um das Prinzip des Schnittschutzes in Geweben zu verstehen, ist es notwendig, das Phänomen des Schnitts selbst zu erklären. Ein Schnitt entsteht, wenn eine Schneide mit Druck auf ein Material einwirkt, und es bei Überschreiten seiner Belastungsgrenze zerteilt wird. Die Klinge drückt dabei die Moleküle des Materials auseinander und zerteilt sie an der schwächsten Stelle.
Auf der molekularen Ebene zerteilt der Schnitt eine Molekülkette, indem er ihre Bindung an einer Stelle auseinanderdrückt. Um dies zu erreichen, muss die Kraft der Schneide an dem Auflagepunkt größer sein als die Anziehungskraft der Atome zueinander. Die zwischenmolekulare Kraft der Fasern ist der Schlüssel zum Schnittschutz. Ist sie größer als die Schneidkraft, findet kein Schnitt statt.
Es ist wichtig zu verstehen, dass einem Schnitt immer eine Verformung des Gewebes vorausgeht, indem die einzelnen Fasern gestreckt werden. Diese Dehnung des Gewebes ist jedoch nur bis zu einem gewissen Grad möglich. Wird er überschritten, führt dies zu einer bleibenden Verformung und letztendlich zum Bruch der Molekülbindung. Dieser Bruch ermöglicht es der Klinge, in das Gewebe einzudringen und durch ihre Keilform weitere Molekülbindungen zu zerreißen. Auf molekularer Ebene ist deshalb jeder Schnitt ein Riss.
Was sich dehnt, reißt nicht
Die Leistung von schnittfesten Fasern wird nicht nur anhand der Härte oder Dichte des Gewebes gemessen, sondern anhand ihrer Zugfestigkeit. Diese Kennzahl gibt an, wie viel Kraft die Faser aushalten kann, bevor sie bricht. Da der Schnitt zu einer Verlängerung und Spannung der Faser führt, ist die Zugfestigkeit ein wichtiger Faktor bei der Wahl von schnittfesten Materialien. Die Zugfestigkeit wird in N/mm² oder MPa angegeben, und bei reinem HPPE liegt sie normalerweise zwischen 3.000 und 4.000 N/mm².
Je höher die Zugfestigkeit, desto mehr Kraft muss aufgewendet werden, um das Material zu durchtrennen. Die Dicke des Materials spielt dabei zunächst keine Rolle. Allerdings müssen bei feineren Garnen mehr einzelne Faserstränge zerteilt werden, bis das Material reißt. Ein einzelner Strang ist daher nicht so belastbar wie ein Verbund aus mehreren feinen Garnen derselben Stärke.
SCHNITTFEST?
Wenn Sie einen Handschuh auseinanderziehen, um zu testen, ob der Handschuh schnittfest ist, wird er bei jedem Schnitttest durchfallen, weil die Zugbelastung bereits vor dem Schnitt unnormal hoch ist.
Masse ist klasse
Die Zugfestigkeit hängt von den physikalischen Anziehungskräften zwischen den Molekülen ab. Je mehr und näher beieinanderliegende Moleküle vorhanden sind, desto höher ist die Anziehungskraft. Allerdings wird das Material unflexibler und die Biegefestigkeit nimmt ab, je näher die Moleküle beieinanderliegen. HPPE hat eine hohe Zugfestigkeit, da 85 Prozent der Moleküle in einer kristallinen Struktur linear angeordnet sind. Etwa 15 Prozent der Atome in der Faser sind ungeordnet und dienen als Gelenke, um die Flexibilität zu gewährleisten. Dieser Faktor unterscheidet auch das normale Polyethylen von „High Performance Polyethylen“.
HPPE ist daher ein sehr beliebter Bestandteil von schnittfesten Materialien, da es Flexibilität mit hohem Schnittschutz vereint. Andere Materialien wie Aramid Fasern sind ähnlich schnittfest, aber weniger flexibel und dafür resis-tenter gegen Hit-ze. Die meisten Hersteller kombinieren verschiedene Garnarten, um die Vorteile der verschiedenen Materialien zu nutzen und so das ideale Trägermaterial für den jeweiligen Anwendungsbereich zu schaffen.
Eine häufige Kombination ist HPPE mit Nylon, wodurch ein dünnes und flexibles Gewebe entsteht. Obwohl Nylon den Schnittschutzfaktor reduziert, erhöht es die Flexibilität des Gewebes, wodurch der Handschuh besser an die Hand angepasst werden kann und die Fingerfertigkeit steigt.
Lieber 110 Prozent
In den letzten Jahren wurde vor allem dieser Bereich des Handschutzes weiterentwickelt und ausgebaut. Leistungsfähigere Garne führen zu immer dünneren und flexibleren Handschuhen, wodurch sich die Performance und der Schutzfaktor in Betrieben steigern lässt.
Obwohl Schnittschutzhandschuhe normalen Schutzhandschuhen ähnlich sehen, unterscheiden sie sich erheblich. Achten Sie deshalb immer auf die Zertifizierung des Handschuhs. Wir hoffen, dass wir mit diesem Artikel erklären konnten, warum dies der Fall ist. Wir wünschen Ihnen, dass Sie nie in die Verlegenheit kommen, die maximale Widerstandsfähigkeit Ihres Schnittschutzhandschuhs auszutesten.
SIMON BERG
… ist Marketing Manager beim niederrheinischen Unternehmen Schwan Arbeitsschutz. Dabei bietet das 1889 gegründete Unternehmen mittlerweile Arbeitsschutzprodukte von Kopf bis Fuß. Ein besonderer Fokus liegt dabei auf Arbeitshandschuhen. Diese Expertise drückt man bei Schwan nicht zuletzt durch eine Ratgeberseite „Handschuhwissen“ aus.