Mit der Digitalisierung finden die berührungsempfindliche Displays Verbreitung. Daher wird nach Schutzhandschuhen mit „Touch“-Eignung gefragt. Doch was steckt hinter der Technik, was muss der Handschuh können und wie erkenne ich einen geeigneten Handschuh? Dr. Matthias Bartusch aus der Produktentwicklung von Uvex gibt einen Überblick.
Die Industrie 4.0 hält zunehmend Einzug in den betrieblichen Alltag – gut sichtbar durch berührungsempfindliche Bildschirme oder „Touch“-fähige Eingabemöglichkeiten an Maschinen. Sie ermöglichen dem Mitarbeiter Zugriff auf eine Vielzahl digitaler Informationen am Gerät, meist genauso intuitiv, wie man es vom Smartphone gewohnt ist. Zugleich sind industrielle „Touch“-Steuerungen und -Displays durch das Fehlen mechanischer Teile staub- und wasserresistent. Die Digitalisierung spart Papier, während gleichzeitig die angeschlossene IT-Landschaft Informationen sofort und jederzeit auffindbar dokumentiert.
Verschiedene Technologien
Für Touchscreens existieren verschiedene Technologien: Genutzt werden optische Systeme, die genau betrachtet nicht die Berührung, sondern den Finger in der Nähe der Displayoberfläche detektieren. Resistive Displays basieren auf zwei dünnen, voneinander isolierten, leitfähigen Schichten. Durch Berührung werden diese zusammengepresst, was eine messbare Unterbrechung der Isolation bewirkt. Beide Technologien funktionieren prinzipiell unabhängig vom Eingabegerät.
Am verbreitetsten ist die kapazitive Technologie: Sie ist günstig, robust und in den etablierten Verfahren der Displayherstellung gut integriert. Zudem lassen sich mehrere gleichzeitige Eingaben bis hin zu Fingergesten zuverlässig erfassen. Technisch wird dazu zwischen zwei dünnen, leitfähigen Schichten ein elektrisches Wechselfeld generiert, das bei Annäherung z. B. eines Fingers durch Ableiten eines Teils der Ladung seine Kapazität verändert. Nachteil ist jedoch, dass bei kapazitiven Displays eine Ableitung nötig ist. Folglich funktionieren elektrisch isolierende Materialien, hierzu zählen die meisten Handschuhe, nicht oder nur unzuverlässig.
Risiko der Kontamination
Dies führt im Alltag dazu, dass Mitarbeiter zum Bedienen eines Touchscreen den Schutzhandschuh ausziehen und nach der Eingabe wieder anziehen müssen. Das ist lästig und kostet Zeit, aber darüber hinaus erhöht es das Risiko von Kontaminationen oder Verletzungen. Da die Präsenz von Touchscreens an Arbeitsplätzen zunimmt, an denen PSA getragen werden muss, sind Schutzhandschuhe gefragt, die zusätzlich eine „Touch“-Fähigkeit mitbringen. Andererseits wird in der Montage zunehmend mit Bauteilen und Komponenten hantiert, die empfindlich auf elektrische Entladungen (ESD – electrostatic discharge) reagieren. Was früher nur in der Mikroelektronik und IT-Montage zu finden war, ist inzwischen in Haushaltsgeräten, Beleuchtungen oder im Maschinen- und Anlagenbau Standard. Der klassische Montagehandschuh soll daher elektrostatische Entladungen zuverlässig verhindern. Noch kritischer sind Anwendungsfelder, in denen statische Aufladungen abgeleitet werden müssen, um eine Brandentstehung oder Explosionen zu verhindern.
Vielzahl an Normen und Regeln
So gibt es eine Vielzahl an Normen und Regelwerken der Berufsgenossenschaften und unternehmensinternen Prüfvorschriften. Nur zum Teil beziehen sich diese konkret auf Schutzhandschuhe. Die Normenreihe DIN EN 1149 und die DIN EN 16350 entstammen dem Explosionsschutz und definieren Schutzkleidung bzw. -handschuhe, die über eine ausreichende Ableitfähigkeit verfügen, um die Bildung zündfähiger Entladungen zu verhindern. Eine konkrete Norm für die „Touch“-Funktionalität gibt es bisher nicht. Allerdings ist es hilfreich zu wissen, dass Schutzhandschuhe, die nach einer oder mehreren der genannten Normen geprüft sind, praktisch „Touch“-fähig sind: Die Grenzwerte sind üblicherweise hinreichend, um berührungsempfindliche Geräte zuverlässig bedienen zu können.
Die Anforderungen für Schutzhandschuhe sind für ESD und „Touch“ ähnlich. Um das Wechselfeld bei kapazitiven Displays zu beeinflussen, muss der Schutzhandschuh eine gewisse elektrische Leitfähigkeit besitzen. Die menschliche Haut reicht dafür, sodass es genügen kann, wenn der Schutzhandschuh dünn genug ist. Untrikotierte Handschuhe funktionieren deshalb eher als beschichtete Strickhandschuhe. Auch die Materialien spielen eine Rolle: Garne, die Feuchtigkeit aufnehmen, wie Baumwolle oder Bambus, sind leitfähiger als synthetische Textilien wie Polyester. Schwarze Beschichtungen werden oftmals mit Ruß gefärbt, der leitfähig ist und eine „Touch“-Fähigkeit begünstigt. Geschäumte Beschichtungen wirken durch die enthaltenen Luftblasen hingegen eher isolierend. Auf der anderen Seite spielen die verwendeten Geräte eine Rolle: Der Aufbau der Schichten im Bildschirm, die elektronische Ansteuerung und die software-seitige Kalibrierung verschiedener kapazitiver Displays beeinflussen die „Touch“-Funktion. Deshalb kann es sein, dass ein Handschuh auf dem Smartphone funktioniert, die Anlagensteuerung jedoch nicht sofort reagiert.
Fazit
Die „Touch“-Anforderungen überschneiden sich bei PSA in vielen Punkten mit ESD-Produktschutz und Explosionsschutz. Da es keine genormten Prüfverfahren für „Touch“ im Schutzhandschuhbereich gibt, behelfen sich Hersteller mit den vorhandenen Normen und bekannten Symbolen, um dem Anwender eine Hilfestellung zu geben. Dies führt dazu, dass entsprechend geprüfte Schutzhandschuhe über die Anforderung der Norm hinaus die gewünschte „Touch“-Funktionalität mitbringen. Allerdings sollte dem Anwender klar sein, dass die reine „Touch“-Ausstattung andersherum nicht zwingend bedeutet, dass der Schutzhandschuh eine ESD-Eignung oder eine Anwendbarkeit in Ex-Schutzarealen beinhaltet. Hierfür ist weiterhin auf die Herstellerangaben zur Zertifizierung gemäß der jeweiligen Norm zu achten. Erfüllen Schutzhandschuhe die Antistatiknorm DIN EN 16350 kann davon ausgegangen werden, dass „Touch“-Funktionalität, ESD-Produktschutz und Explosionsschutz abgedeckt sind.