Zu einem virtuellen Unternehmens-Besuch lud jetzt der schwedische Hersteller Mips ein. Mitgründer und CTO Peter Halldin stellte das Unternehmen vor und gewährte auch einen Einblick in die Testräume, in denen das „Brain Protection System“ (BPS), ein in Helme integrierbarer Schutz für das Gehirn, regelmäßig optimiert und weiterentwickelt wird.
Die Statistiken besagen, dass im Schnitt 22 Prozent der Kopfverletzungen im Bausektor in Deutschland eine traumatische Hirnverletzung mit sich bringen. Schließt man aus diesen Statistiken Gesichtsverletzungen aus, sind es sogar über 50 Prozent der Kopfverletzungen, die als Schädel-Hirn-Trauma diagnostiziert werden. „Die Helme auf dem Markt sind heutzutage alle gut“, stellte Halldin gleich zu Beginn fest, „aber wir können sie noch besser machen.“ Denn Mips steht für „multi-directional impact protection system“, vereinfacht ausgedrückt für Aufprallschutz in mehreren Richtungen. Denn, so hatten seinerzeit die Gründer von Mips erkannt, bei der Wirksamkeit von Helmen werden meist nur lineare von außen einwirkende Kräfte in Betracht gezogen. Doch wird ein Schädel-Hirn-Trauma meist durch eine rotierende Bewegung des Kopfes verursacht – und da ist das Gehirn wesentlich empfindlicher als bei einer linearen Bewegung. „Bei einem geraden Aufprall schützen heute alle Helme gut“, sagt Halldin. Doch sei es eher selten so, dass ein fallender Ziegelstein genau mittig auf den Helm trifft.
„Das BPS ahmt die Schutzeigenschaften im menschlichen Gehirn nach und fügt eine weitere Schutzschicht hinzu.“
Peter Halldin, CTO bei Mips
Die Rotationsbewegungen werden reduziert
Dank dieser Herangehensweise hat Mips das BPS entwickelt. Dieses System bietet einen zusätzlichen Schutz bei Rotationsbewegungen, die bis hin zum Gehirn übertragen werden. Solche Rotationsbewegungen erhöhen das Risiko leichter oder gar schwerer Hirnverletzungen. Ist in einem Helm allerdings das BPS von Mips implementiert, reduziert dies die Rotationsbewegung, da BPS Energien und Kräfte umleitet, die sonst das Gehirn getroffen hätten. „Das BPS ahmt die Schutzeigenschaften im menschlichen Gehirn nach und fügt eine weitere Schutzschicht hinzu“, so Halldin. Bei Versuchen, aufgezeichnet mit Highspeed-Kameras, wurden die Bewegungen und Auswirkungen der Kräfte auf das Gehirn bei verschiedenen, nicht linear auftreffenden Unfällen aufgezeichnet und gemessen. „Diese Vergleiche und Messungen zeigten deutlich auf, wie heftig bei unterschiedlichen Kollisionen das Gehirn belastet wird“, sagte Halldin. Die Tests zeigten deutlich auf, so der CTO, dass das Mips Hirnschutzsystem die auf das Gehirn wirkenden Kräfte reduziert.
Fast 600 verschiedene Helm-Modelle bereits mit Mips BPS ausgerüstet
Auch Statistiken wurden zu Rate gezogen. „Die Daten belegen, dass insbesondere Kopfverletzungen, die auch das Gehirn in Mitleidenschaft ziehen, häufig langfristige oder gar tödliche Auswirkungen haben. Das BPS von Mips reduziert diese Auswirkungen um bis zu 40 Prozent.“ Bei von oben auf den Helm fallenden Gewichten wie zum Beispiel einem Ziegelstein, so die von Mips vorgelegten Zahlen, wird die Belastung des Gehirns um 29 Prozent reduziert, bei einem Sturz mit seitlichem Aufprall auf dem Boden um immerhin 15 Prozent. Ist der Sturz jedoch frontal und der durch den Helm geschützte Kopf prallt gar auf eine Bordsteinkante oder ähnliches, ist die Belastung des Gehirns um 39 Prozent gemindert. Mittlerweile nutzen weltweit bereits 103 Helm-Hersteller die Technologie aus Schweden in 583 verschiedenen Helm-Modellen. Das sind in erster Linie Sporthelm-Hersteller, die für den Wintersport, Bergsteiger, Eishockey oder den Bikesport produzieren. Auch im Bereich Motorsport wird immer mehr auf den zusätzlichen Schutz durch das BPS gesetzt. Der dritte Kernbereich ist schließlich der Markt der Industrie- und Bauhelme. Insbesondere hier will Mips noch mehr Partner unter den Herstellern gewinnen.
Camillo F. Kluge
Wir haben nachgefragt
Herr Halldin, müssen Helme, die mit dem BPS ausgestattet werden, bestimmte Voraussetzungen erfüllen?
Peter Halldin: Ja. Alle Helme mit dem Mips Hirnschutzsystem werden nach unserer Testmethode geprüft. Dabei werden jedes Helmmodell und jede Helmgröße mit und ohne Hirnschutzsystem getestet und miteinander verglichen.
Wie erkennt der Verbraucher, ob ein Helm mit BPS ausgerüstet ist? Gibt es da so ein Logo oder Wiedererkennungswert wie zum Beispiel bei Computern und intel?
Halldin: Ja. Alle Helme mit dem Mips BPS haben das gelbe Mips-Logo auf dem Helm.
Spürt der Verbraucher beim Tragen des Helms, dass BPS in dem Helm steckt?
Halldin: Nein. Man merkt keinen Unterschied zu einem Helm ohne Mips-System.
Wie lange wirkt BPS in einem Helm, läuft das irgendwann ab? Bedarf es einer Pflege, zum Bespiel einölen, damit es zuverlässig schützt?
Halldin: Das Mips BPS hat keinen Einfluss auf die Lebensdauer eines Helms. Es funktioniert solange wie auch der Helm funktionstüchtig ist. Selbstverständlich sollten alle Helme zum Beispiel nach einigen Jahren oder einem Unfall ausgetauscht werden.
Die Forschung und Entwicklung bei Mips geht ja weiter. Wie lauten die nächsten Ziele, sind die auf spezielle Helme ausgerichtet?
Halldin: Wir arbeiten kontinuierlich daran, das Hirnschutzsystem weiterzuentwickeln und die besten Lösungen für verschiedene Helmsegmente zu finden. Dafür möchten wir auch reale Unfallsituationen und verschiedene Verletzungen des Kopfes und des Gehirns noch besser verstehen.
Herr Halldin, danke für die Erläuterungen.
Die Fragen stellte Camillo F. Kluge
Zur Person
Der Mitgründer von Mips Peter Halldin ist seit 2001 CTO des Unternehmens. Der Familienvater promovierte in Biomechanik an der Königlich-Technischen Hochschule Stockholm zur Prävention und Vorhersage von Kopf- und Nackenverletzungen bei Verkehrsunfällen. Seit 2001 ist er dort Assistant Professor. Er arbeitet seit 2012 als Delegierter im Gremium für Kopfschutz im Europäischen Komitee für Normung mit. Erholung findet er beim Ski-, Motorrad- oder Fahrradfahren sowie beim Kite-Surfen – selbstverständlich alles mit Helm.