Auf 222 Jahre Firmengeschichte kann das Unternehmen L. Priebs GmbH & Co. KG bereits zurückblicken, den Stammbaum der Familie hat Inhaber Markus Nelke sogar bis ins 13. Jahrhundert zurückverfolgen können. Doch bei allem Traditionsbewusstsein setzt der Hersteller von Sicherheitsschuhen ganz zukunftsorientiert auf Nachhaltigkeit.
Es war im Jahr 1798, als Heinrich Wiesmann in Haltern am See im südlichen Münsterland die Produktion von Filzschuhen und -hüten aufnahm. Erst im 20. Jahrhundert fokussierte sich das Unternehmen auf die Herstellung von Schuhen aus Leder, darunter waren neben Stiefeln für Eisenbahner auch Sicherheitsschuhe für Bergleute – zu sehen im Ruhrmuseum Essen – und andere Arbeitergruppen. „Bis 2013 haben wir noch Sicherheitsschuhe speziell für das Arbeiten unter Tage produziert“, sagt Geschäftsführer Markus Nelke. Heute, wo die Montan-Industrie im Ruhrgebiet nur noch wenige Mitarbeiter beschäftigt, hat man sich seitens Priebs anders orientiert und sich auf Schnittschutz- und wasserdichte Schuhe spezialisiert, insbesondere für den Forstbetrieb.
Gerade für ein mittelständiges Familienunternehmen erachtet Nelke die Spezialisierung als wichtig, alle Bereiche an Sicherheitsschuhen zu bedienen würde die Kapazitäten sprengen. „Ich glaube, wir bieten mit die größte Auswahl an wasserdichten Schuhen an“, nennt Nelke eine Stärke des Unternehmens. „Im Forstbereich sind wir auch sehr gut aufgestellt, zumal wir da nicht nur für unsere Marke Lupriflex produzieren, sondern auch für andere, teils namhafte Hersteller.“ Selbst große Unternehmen greifen da laut Nelke auf das Know-how von Priebs zurück. „Ein Forststiefel ist halt ein sehr komplexer und komplizierter Schuh.“
Produktion in Europa und Asien
Gerade die hohen Anforderungen, die ein Schnittschutzschuh benötigt, zwangen Priebs dazu, sich Hersteller im Ausland zu suchen. „Bis zum Jahr 2000 haben wir sogar noch hier in Haltern produziert, aber um als mittelständiges Unternehmen im Wettbewerb zu bestehen, mussten wir immer mehr auslagern“, berichtet der gelernte Schuhtechniker Nelke. Auch heute noch wird die Hälfte der Schuhe, die Priebs anbietet, in Europa produziert, die andere Hälfte in Asien. Dabei war man zunächst mit der Produktion nach Tunesien ausgewichen. Doch die dortigen politischen Umwälzungen sorgten von heut auf morgen für ein Ende der Produktion, Priebs musste wieder neue Produzenten suchen. Nun verlässt man sich nicht mehr nur auf einen einzelnen Produktionsstandort, sondern hat auf zwei Kontinenten seine Produktionspartner. „Wir haben versucht, auch unsere Schnittschutzstiefel in Europa zu produzieren, haben aber niemanden gefunden, der das übernimmt. Bis heute zeigt sich kein Produzent bereit, die im Aufbau relativ komplizierten und mit stetig wachsenden Anforderungen versehenen Schnittschutzstiefel in Europa herzustellen“, sagt Nelke, der zugleich betont, dass dies nicht eine Frage des Preises gewesen ist: „Es wollte einfach keiner übernehmen.“ Als einen Hinderungsgrund sieht er insbesondere die sehr hohen Sicherheitsanforderungen. Denn bei Schnittschutzstiefeln werden genauso wie bei Feuerwehrstiefeln regelmäßig Proben gezogen und diese genau überprüft.
Know-how kommt aus Haltern
Das Know-how, das in den Schuhen steckt, kommt allerdings weiterhin aus Haltern. „Wir entwickeln den Leisten, wir entwickeln die Sohle, das passiert alles hier bei uns. Was alles für einen Forststiefel umgesetzt werden muss, mussten wir den Partnerunternehmen erst einmal beibringen, die kennen sowas ja gar nicht.“ Hinzu kommen noch die Anforderungen des Kuratoriums für Waldarbeit und Forsttechnik (KWF). „Da werden die Schuhe auch in der Praxis getestet“, wird das Prüfungszeichen des KWF wie ein Gütesiegel gewertet. Entsprechend hoch ist aber auch die Qualitätssicherung, die seitens Priebs betrieben wird. „Wir lassen von einem deutschen Institut jeden Container überprüfen, der mit Schnittschutzstiefeln kommt. Da wird gecheckt, ob der Schnittschutz richtig positioniert und eingesetzt ist.“ Zusätzlich wird jeder Container auf Schadstoffe überprüft, „weil uns das wichtig ist“, wie Nelke betont. Dabei muss der Hersteller stets auf dem aktuellen Stand der Technik sein. Die Materialien entwickeln sich kontinuierlich weiter, immer mehr ist möglich. Die Kunst dabei ist es, die Balance zwischen Kosten und Entwicklung zu halten, also den Schuh immer leichter, bequemer und auch attraktiver zu gestalten, ohne dass dabei der Preis explodiert.
Höhere Standards als die EU-Norm
Wie wichtig der Familie dieses Thema ist, belegt ihr Engagement bei cads, der Kooperation für abgesicherte definierte Standards bei Schuh- und Lederwarenprodukten. „Wir bei cads sagen, dass uns die EU-Chemikalienverordnung REACH nicht ausreicht, wir höhere Standards setzen. Wir sind mit unseren Werten und Anforderungen eigentlich immer ein paar Jahre voraus. Und nach diesen Werten lassen wir unsere Schuhe fertigen und überprüfen. “Überhaupt zeigt sich das Unternehmen sehr zukunftsorientiert, auch was das Thema Nachhaltigkeit angeht. Das gilt nicht nur für die laut REACH „erlaubten“ Schadstoffe, die Priebs nicht im Schuh haben möchte. „Wir sind seit 2008 CO2-neutral“, sagt Karin Nelke-Mertens, „nur damals war das noch kein Thema.
“Als ein wesentliches Zukunftsthema in Sachen Nachhaltigkeit sieht man seitens Priebs die verlängerte Tragezeit bei solchen Produkten wie Sicherheitsschuhen – und damit auch die Reparierbarkeit. Und dann gilt es eine Antwort auf die Frage zu finden: Was passiert mit dem Schuh, wenn er ausgedient hat? „Auf lange Sicht wird er nicht mehr über die ´graue Tonne` entsorgt werden dürfen“, meint Nelke.
Neue Modelle im Laufe des Jahres
Da dies allerdings noch Zukunftsmusik ist, macht man seitens Priebs einen anderen ersten Schritt. „Wir werden immer mehr recycelte Stoffe einsetzen“, verrät Nelke. Das ganz große Ziel lautet, irgendwann einen Sicherheitsschuh so herstellen zu können, dass er in irgendeiner Form wieder in einen Produktionskreislauf zurückgeführt werden kann. „Das sollte nicht nur eine Parkbank oder ein Gummiboden sein, sondern möglichst wieder ein Konsumprodukt. Das erste, was wir in diesem Bereich herausbringen, wird ein noch in diesem Jahr erscheinender Schuh mit Obermaterial aus recycelten PET-Flaschen und einem Fußbett aus recyceltem Polyurethan sein“, kündigt Karin Nelke-Mertens an. Der erste wird allerdings nur die Schutzklasse S1P haben. Das Problem sei halt immer auch, dass der Schuh marktgerecht sein muss, ganz besonders auch was den Preis betrifft. Dennoch bleibt das mittelfristige Ziel des Unternehmens Produkte zu entwickeln, die möglichst nachhaltig sind. An weiteren Neuheiten, die in diesem Jubiläumsjahr noch in den Markt kommen, kündigt sie auch noch zwei Sneaker-Modelle an. Da Priebs seinen Vertrieb vorrangig über den Fachhandel betreibt, wird diesem eine Jubiläumsaktionen vorgestellt. „Das wird in der zweiten Jahreshälfte starten“, sagt Karin Nelke-Mertens. „Die Fachhändler können dann selbst entscheiden, ob sie da mitmachen möchten oder auch nicht.“
Von seinem Besuch bei Priebs berichtet Camillo F. Kluge