Als „Revolution des Sicherheitsschuhs“ feiert der Hersteller Baak sein „go&relax“-System, das seit Oktober 2019 patentiert ist. „Arbeitsschutz – aber sicher!“ wollte mehr darüber wissen und traf sich zum Gespräch mit dem geschäftsführenden Inhaber Ingo Grusa vor Ort.
Interview mit Herrn Ingo Grusa
Herr Grusa, Sie bezeichnen Baak als „einzigen Hersteller fußgerechter Sicherheitsschuhe“. Wie begründen Sie diesen Superlativ?
Ingo Grusa: Laut unserer Definition ist ein Sicherheitsschuh fußgerecht, wenn die Fußform berücksichtigt wird und die Fußfunktion. Die Fußform berücksichtigen mittlerweile nahezu alle Anbieter qualitativ wertiger Sicherheitsschuhe. Es gibt die verschiedenen Längen, die entsprechenden Breiten, da sind schon viele unterwegs und bieten unterschiedliche Weiten an. Auch werden mittlerweile individuelle
Fußbetten angeboten, die die Form des Fußes berücksichtigen. Mit unserem „echten Zwei-Weiten-System“, bei dem in der weiteren Version auch eine 8 mm breitere Zehenschutzkappe eingesetzt wird, bieten wir den Trägern schon einen großen Vorteil, der nicht überall so konsequent umgesetzt wird. Der große Unterschied liegt aber darin, dass wir zusätzlich die Fußfunktion berücksichtigen.
Was genau meinen Sie damit?
Grusa: Da hole ich etwas weiter aus. Wir haben uns vor sieben, acht Jahren mit dem Führungsteam der Firma zurückgezogen und uns und unsere Produkte hinterfragt. Schließlich haben wir uns die Kernfrage gestellt: Was ist unsere DNA, wofür steht Baak? Wir hatten zwar Sicherheitsschuhe produziert, aber etwas Eigenes, einen eigenen USP hatten wir vorher nicht. Also haben wir mehrere Tage mit Moderation von außen versucht herauszufinden, wofür unser Unternehmen steht. Heraus kam am Ende: Baak steht für gesund. Das war eine Sache, die uns absolut beschäftigt. So haben wir unsere Nische gefunden: Wir wollen gesunde Sicherheitsschuhe bieten.
Wie wurde das umgesetzt?
Grusa: Da wir keinen Arzt einstellen wollten, haben wir uns Kompetenz von außen gesucht. Wir haben überlegt, welche medizinische Koryphäe unterstützen könnte. Dr. Müller-Wohlfahrt fällt einem da natürlich gleich ein, oder Professor Dietrich Grönemeyer. Die haben wir auch angeschrieben und sie haben auch nett geantwortet, aber es war nicht deren Sache, sich so speziell mit der Entwicklung von Sicherheitsschuhen zu beschäftigen. Aber zu der Zeit eroberte grade ein Sportschuh den Markt mit dem neuen Konzept, dass den Schuh zu tragen fast wie barfuss laufen sei. Der war mit dem Leiter der Abteilung Biomechanik und Orthopädietechnik der Sporthochschule Köln entwickelt worden. Und so sind wir auf Professor Dr. Gert-Peter Brüggemann gestoßen, einen der weltweit führenden Biomechaniker, der in Köln dozierte.
Und der war gleich interessiert?
Grusa: Zumindest hatten wir innerhalb von 14 Tagen einen Termin. Er hat sich richtig gefreut, begrüßte es, dass endlich mal jemand aus dem Bereich Sicherheit zu ihm kommt, denn ansonsten ist er neben seiner Lehrtätigkeit vorrangig in die Entwicklung bei Sportartikelherstellern involviert.
Das „endlich“ hat er sicher erläutert…
Grusa: Ja, wir waren auch etwas überrascht, aber er begründete das damit, dass jeder Sicherheitsschuh zu Fehlbelastungen führe. Der Sicherheitsschuh erfülle zwar zuverlässig seine Schutzfunktion, aber er erklärte uns anhand eines Modells, wie der Fuß genau funktioniert und warum da ein normaler Sicherheitsschuh kontraproduktiv wirkt. Beim Abrollen des Fußes beugen sich die Zehengelenke nicht alle gleichzeitig, sondern von außen nach innen in einer Art Bogen. In herkömmlichen Sicherheitsschuhen werden die Zehen also bei jedem Schritt unnatürlich gebeugt, da die gerade Zehenschutzkappe dafür sorgt, dass die Sohle in Höhe des Ansatzes der Zehenschutzkappe knickt – auf einer graden Linie. Das entspricht nicht der natürlichen Abrollbewegung.
Das hat wahrscheinlich Konsequenzen?
Grusa: Ja, da die beiden äußeren Zehen nicht in den Abrollvorgang integriert werden, verkümmern sie regelrecht, wenn solche Schuhe Tag für Tag über Jahre hinweg getragen werden. Es kann auch zu Fehlbelastungen von Muskulatur, Sehnen und Bändern kommen, was wiederum Konsequenzen für die komplette Körperstatik nach sich ziehen kann.
Mit „go&relax“ haben Sie eine Lösung für das Problem entwickelt?
Grusa: Genau, wir haben uns die Frage gestellt, wie wir das Problem lösen können, und eine asymmetrische Kappe entwickelt, die auf der Außenseite etwas verlängert ist. Damit wird schon eine ganz andere Biegelinie vorgegeben. Diese schräge Biegelinie wird durch entsprechende Kerben in der Sohle unterstützt. Zudem unterstützt auch eine biomechanisch optimierte Flexzone in der Laufsohle das natürliche und funktionsgerechte Abrollen aller Zehen. Und schließlich haben wir noch das H-Kopplungselement in die Laufsohle integriert. Das unterstützt zum einen auch noch die lagegerechte Biegung der Zehen, sorgt aber auch für zusätzliche Stabilität. Alles an der Konstruktion des Schuhs ist so aufgebaut, dass der Fuß auch in einem Sicherheitsschuh, der ja nun einmal eine robuste Sohle, eine Schutzkappe oder Versteifungen benötigt, so abknicken kann, wie er es von Natur aus gewöhnt ist und möchte. Das bedeutet für uns Fußfunktion. Erst die Addition aus Fußform, was viele andere auch bieten, und Fußfunktion ist für uns fußgerecht.
Sind nun alle Sicherheitsschuhe von Baak mit „go&relax“ ausgestattet?
Grusa: Noch nicht alle, wir stellen sukzessive um. Aber mittlerweile ist deutlich mehr als die Hälfte unseres Portfolios umgestellt. Alles, was neu entwickelt wird, wird damit ausgestattet. Das Schöne für den Träger ist sicher der Gesundheitsaspekt, ich denke, wir leisten da sicher unseren Beitrag zur betrieblichen Gesundheitsförderung.
Ist das Thema damit durch oder forschen und entwickeln Sie noch weiter?
Grusa: Wir entwickeln sachte weiter, grade hinsichtlich der Biomechanik. Auch Professor Brüggemann berät uns noch weiterhin. Unser Ansatz ist, dass eine Entwicklung wirklich der langfristigen Gesundheit nutzt und nicht nur dem momentanen Wohlbefinden.
Ist denn der Fuß wirklich so wichtig für die Gesundheit?
Grusa: Auf dem Fuß stehen wir, er ist die Basis. Wenn es hier schon nicht richtig funktioniert, dann setzt es sich fort auf Sprunggelenk, aufs Knie, auf die Hüfte, den Rücken bis in den Nacken. Erste kleinere Studien haben ergeben, dass sich durch „go&relax“ das Arthrose-Risiko im Kniebereich reduzieren kann. Zudem kann es die Haltung des Rumpfes verbessern und die Rückenmuskulatur beeinflussen und sogar Beschwerden mindern.
Wann ist mit neuen Entwicklungen zu rechnen?
Grusa: Tatsächlich sind wir derzeit dabei, einige Sachen zu testen. Wie funktioniert der Fuß mit den neuesten Erkenntnissen der Biomechanik, was kann man an Sohlen noch verbessern? Zwar ist noch nichts marktreif, aber für uns ist das Thema Gesundheit noch lange nicht zu Ende.