Hunderte Unternehmen weltweit nutzen heute bereits Exoskelette von Ottobock, um ihre Mitarbeiter an physisch herausfordernden Arbeitsplätzen zu entlasten. Das sind wichtige Schritte hin zu dem Ziel, das Dr. Sönke Rössing, CEO von Ottobock Bionic Exoskeletons, gemeinsam mit seinem Team stets anstrebt, nämlich eine gesündere Arbeitswelt zu schaffen. In diesem Fachbeitrag erläutert Rössing „sicheres Heben und Tragen mit Exoskeletten“.
Rückenschmerzen, Beschwerden in Schultern, Nacken oder Knie – solche Muskel-Skelett-Erkrankungen (MSE) sind die häufigste Ursache für krankheitsbedingte Fehltage. Besonders betroffen: Das Bau- und Ausbaugewerbe, vor allem Männer über 50 Jahre. Laut aktuellem IKK-Bericht „Gesundheit im Handwerk 2022“ fiel jeder Beschäftige aus diesem Bereich im Durchschnitt 23,8 Tage im Jahr 2021 krankheitsbedingt aus. Dabei wiesen mehr als 42 Prozent aller Krankheitstage MSE als Diagnose auf. Ursache sind besonders belastende Tätigkeiten wie Arbeiten über Kopf oder das häufige Heben schwerer Gegenstände, sei es beim Trockenbau oder der Elektro-, Sanitär- und Heizungsinstallation.
Aus dieser Problematik – in Kombination mit einer alternden Belegschaft und einem Mangel an Fachkräften – resultiert ein Bedarf an neuartigen Hilfsmitteln. Exoskelette sind eine Lösung, die es Menschen ermöglicht, ihrem anspruchsvollen Berufsalltag langfristig gesundheitsschonend nachzugehen.
Exoskelette und ihre Funktion
Ein Exoskelett („Außen-Skelett“) ist eine am Körper getragene Stützstruktur, die Muskeln, Gelenke und Knochen bei spezifischen Tätigkeiten entlastet. Je nach System werden unterschiedliche Körperpartien unterstützt, wie Rücken, Schulter, Arme, Beine, Handgelenke oder Finger. So verhindern sie eine Überbelastung des Körpers und tragen präventiv zur Gesunderhaltung bei.
Grundsätzlich unterscheidet man zwischen zwei Exoskelett-Typen: Es gibt zum einen motorbetriebene Exoskelette und zum anderen mechanische Exoskelette. Die motorbetriebenen Systeme verfügen über elektrische oder pneumatische Antriebe. Sie benötigen eine externe Energieversorgung, wie eine Batterie. Aktuell sind diese Modelle meist schwerer und deutlich teurer als Exoskelette, die mit körpereigener Energie funktionieren.
Biomechanische Exoskelette unterstützen, indem sie Kräfte im Körper umleiten und Energie zwischenspeichern. Diese Technologie bezeichnet man als „Energy Harvesting“: Beim Absenken des Oberkörpers oder der Arme wird Energie „geerntet“, die dann zielgerichtet freigesetzt wird, wenn Belastungsspitzen in der Schulter oder für die Wirbelsäule auftreten.
Anwendungsbereiche für Exoskelette
Tausende Unternehmen weltweit setzen solche Exoskelette bereits ein, zum Beispiel in der Automobilmontage, bei der Wartung von Zügen oder in der Logistik. Auch im Handwerk und auf Baustellen sind die Hilfsmittel immer mehr im Kommen. Denn auch dort gibt es viele Arbeitsplätze, die sich nicht automatisieren oder ergonomischer gestalten lassen. Hier kann der Einsatz von Exoskeletten als Teil der persönlichen Schutzausrüstung eine sinnvolle Lösung sein.
Ein Beispiel ist das Modell „Ottobock Back“, das zum Heben und Tragen schwerer Gegenstände entwickelt wurde. Das Exoskelett unterstützt Menschen etwa beim manuellen Einrichten und Absichern der Baustelle, beim Tragen von Materialien und Geräten, bei der Vorbereitung von Baustoffen, beim Beladen und Ausräumen von Fahrzeugen oder bei der Lagerung von Arbeitsgegenständen. Dabei kommt die Lösung ohne Stromversorgung aus: Das Exoskelett nimmt die Last im Schulterbereich auf und leitet ihre Energie in die Oberschenkel weiter. Bei der Beugung in der Hüfte, etwa wenn der Träger sich nach vorne und unten lehnt, nimmt der Energiespeicher die Kraft auf. Wenn der Oberkörper wieder aufgerichtet wird, gibt das Exoskelett diese Energie unterstützend ab und entlastet damit den unteren Rücken um bis zu 25 Kilogramm.
Auch für Überkopftätigkeiten, etwa beim Aufbau von Gerüsten oder Einbau von Isolierungen, gibt es geeignete Exoskelette. Gemeinsam mit dem Bautechnologiekonzern Hilti hat Ottobock das „Exo-O1“ entwickelt. Dieses Exoskelett leitet das Gewicht der erhobenen Arme mit einer mechanischen Seilzugtechnik auf die Hüfte ab. Das schont die Muskeln und Gelenke im Schulterbereich spürbar und die Arbeiten lassen sich deutlich komfortabler ausführen. Ergänzend können Nackenstützen eingesetzt werden, welche die Halswirbelsäule entlasten.
Bedeutung der Exoskelette
Exoskelette wurden in den letzten Jahren in zahlreichen Pilotprojekten in Industrie und Logistik erfolgreich getestet und eingeführt. Viele dieser Projekte wurden von wissenschaftlichen Studien begleitet, etwa durch die Hochschulen Göttingen, Tübingen und der Sporthochschule Köln. Besonders umfangreiche Tests fanden zum Beispiel beim Logistikunternehmen DB Schenker statt. Hier konnte mit Hilfe von Sensorentechnologie bestätigt werden, dass der Einsatz von Exoskeletten folgende Potenziale hat:
- Reduktion von Ausfalltagen
- Verbesserung der Körperhaltung
- Effektiver Einsatz im Vergleich zu Manipulatoren oder anderen Hilfsmitteln, die von Mitarbeitern nicht akzeptiert werden
- Steigerung der Produktivität
- Steigerung der Attraktivität der Arbeits- plätze im Vergleich zum Wettbewerb
Um diese Vorteile bestmöglich nutzen zu können, ist eine durchdachte Einführung entscheidend. Ein wesentlicher Erfolgsfaktor für Exoskelette im Betrieb sind wirklich passende Schulungsmaßnahmen. Deshalb hat Ottobock sogenannte „Experience Pakete“ entwickelt: Diese ermöglichen Unternehmen die Durchführung einer Testphase über mehrere Wochen in Begleitung von Ergonomie-Experten. Dabei werden alle Stakeholder des Betriebs von Anfang an einbezogen, das heißt Unternehmensleitung, Betriebsräte und natürlich die Nutzerinnen und Nutzer der Exoskelette. So ist es möglich, die Bedürfnisse aller Beteiligten in ein schlüssiges Gesamtkonzept zu integrieren.
Dr. Sönke Rössing
… ist CEO von Ottobock Bionic Exoskeletons. Seit 2018 treibt der Wirtschaftswissenschaftler das Exoskelett-Geschäft des Healthtech-Unternehmens Ottobock voran. Zu den Kunden gehören beispielsweise DB Schenker, Airbus, SNCF und Toyota Nordamerika, aber auch kleine und mittelständische Unternehmen.